@phdthesis{Baumann2014, type = {Master Thesis}, author = {Manfred Baumann}, title = {Palliative Haltung}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0295-opus-4431}, year = {2014}, abstract = {Gegenstand meiner theoretischen Betrachtungen ist das Ph{\"a}nomen einer “Palliativen Haltung”. Diesem war ich im Rahmen eines Forschungspraktikums im Palliativen Feld begegnet. Die Akteure betonen ihre Palliative Haltung und geben ihr einen zentralen Sinn, ohne sie selbst zu explizieren. Anhand von Interviews konnte ich Aspekte einer solchen Haltung explizieren. Diese betrachtete ich in Anlehnung an Eva Feder Kittays Care Theorie, an Christine Pfeffers ethnographische Studie, an Pierre Bourdieus Sozialraumanalyse und an Hartmut Rosas Akzelerationstheorie n{\"a}her. Eine Palliative Haltung ist weder voraussetzungslos noch wirkungsfrei. Eva Feder Kittays Care Theorie verdeutlicht dies mit ihrem Verst{\"a}ndnis von Care als einer Sorge f{\"u}r jemanden in drei Dimensionen: Tugend von Care, Haltung von Care und Care-Arbeit. Die Voraussetzungen von Care werden {\"u}ber Haltung zur Praxis. Da der Mensch als Mensch schon immer ein auf andere Menschen Angewiesener und Verwiesener ist, bestimmt Kittay Care-Beziehungen als die Grundformen des Beisammenseins von abh{\"a}ngig verfassten Menschen. Als R{\"a}ume der Begegnung von Care-Gebenden und Care-Empfangenden sind sie getragen von einer gemeinsamen Haltung. Das Palliative dieser Haltung wirkt in dieses Aufeinander-Bezogensein hinein als verantwortliches mitmenschliches Solidarisch-Sein. Im Rahmen von Care-Beziehungen vermittelt die Palliative Haltung den Anspruch von Care mit der Wirklichkeit von Pflege und stiftet damit Sinn am Lebensende. Christine Pfeffer legt in ihrer ethnographischen Studie zur station{\"a}ren Hospizarbeit die normativen Voraussetzungen des Palliativen Feldes offen. Sie manifestieren sich in der Norm des guten Sterbens (friedliche Akzeptanz der Sterbendenrolle – Individualisierung des Sterbens – Im Kontext einer Gemeinschaft). Meine eigene Palliative Haltung verfestigt sich in ihrer dialektischen Bezogenheit auf diese Norm des guten Sterbens. Der Befund der dialektischen Bezogenheit von palliativem Akteur und Normen des palliativen Feldes best{\"a}tigt sich durch die Annahmen der Sozialraumanalyse von Pierre Bourdieu. Es wird deutlich, dass sich Haltung in der dialektischen Begegnung von sozialem Akteur und sozialem Feld entwickelt. Palliative Haltung ist die habituell im Feld erworbene und habituell im Feld wirksame Haltung des sozialen Akteurs. Palliative Haltung ist Distinktionsmerkmal, das durch bestimmte Spielregeln, Konflikte, Strategien, Kapitalformen sowie Klassen und Geschm{\"a}cker des Palliativen Feldes und seiner Akteure gekennzeichnet ist. Eine Wertekollision k{\"u}ndigt sich gegenw{\"a}rtig an angesichts der Bedrohung des Werts der Caritas – von au{\"s}en durch das Hereindr{\"a}ngen von Kriterien der {\"O}konomie, von innen durch die habituelle Einverleibung dieser Kriterien auf eine effiziente Praxis hin, die dann nicht mehr anspruchs-, sondern verrichtungsorientiert ist. Mit Hartmut Rosas Akzelerationstheorie zeige ich: Palliative Haltung als Haltung des Zeithabens ist ein Anachronismus in der beschleunigten Moderne. Als Haltung des Zeithabens ver{\"a}ndert Palliative Haltung die Handlungsgeschwindigkeit. Sie dient der Entschleunigung des Menschen im palliativen Feld im Rahmen einer Care-Beziehung. Als Ort der Entschleunigung wurde das Palliative Feld aus dem Feld des Gesundheitswesens ausdifferenziert. Das durch eine optionen-optimierte Medizin bedingte langsamere und l{\"a}ngere Sterben und der Tod als Vernichter von Optionen in einem optionenverdichteten Gesundheitswesen mussten notwendigerweise ausdifferenziert werden, um ein beschleunigtes Gesundheitswesen {\"u}berhaupt funktionsf{\"a}hig zu halten. Fazit: Nach Palliativer Haltung kann ich nur fragen, indem ich zugleich nach ihren Voraussetzungen frage (die Tugend, die mich bef{\"a}higt - die Norm des guten Sterbens - die Dialektik von Habitus und Feld - der modern beschleunigte Mensch), die in meiner Haltung vermittelt zur Praxis werden. Mit der Ann{\"a}herung an eine sogenannte Palliative Haltung gelingt zugleich eine verstehende Ann{\"a}herung an gegenw{\"a}rtig stattfindende, gesellschaftlich verantwortete Transformationsprozesse eines {\"o}konomisierten und beschleunigten Gesundheitswesens. In der Palliativen Haltung {\"u}berlebt die Anspruchs-Haltung von Pflegenden und {\"A}rzten an das eigene sorgende Handeln, das als solches in dialektischer Verwobenheit mit dem Feld des Gesundheitswesens in dieses hineinwirken kann.}, language = {de} }