@techreport{WeidnerBruenettMuelleretal.2016, author = {Frank Weidner and Matthias Br{\"u}nett and Mareike M{\"u}ller and Iwona Cissarz}, title = {Reha-Biograf. Langzeiterkrankte Pflegefachpersonen in der beruflichen Rehabilitation – Ursachen, Wege und Erkl{\"a}rungen}, organization = {Pflegewissenschaftliche Fakult{\"a}t}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0295-opus4-7640}, pages = {88}, year = {2016}, abstract = {Seit Jahren nimmt die Arbeitsverdichtung in der Krankenhauspflege zu. Immer mehr Patientinnen und Patienten m{\"u}ssen in immer k{\"u}rzerer Zeit von weniger Pflegefachpersonal versorgt und gepflegt werden. Zugleich nimmt die Zahl der besch{\"a}ftigten Krankenhaus{\"a}rztinnen und -{\"a}rzte zu und damit auch die Quantit{\"a}t an medizinischer Diagnostik und Therapie, in die zu einem Gutteil auch Pflegefachpersonen einbezogen sind. Die Arbeitsverdichtung f{\"u}hrt auf der einen Seite aufgrund von Rationierungs- und Priorisierungsprozessen zu Problemen in der Versorgungsqualit{\"a}t bei Krankenhauspatientinnen und -patienten, auf der anderen Seite zu verh{\"a}ltnism{\"a}{\"s}ig h{\"o}heren Krankenst{\"a}nden und Fr{\"u}hverrentungen bei in der Pflege Besch{\"a}ftigten im Vergleich zu allen anderen sozialversicherungspflichtig Besch{\"a}ftigten. Zugleich wird ein allgemeiner Fachkr{\"a}ftemangel in den Pflegeberufen beklagt, der sich u.a. aufgrund dieser bekannten Belastungen in den vergangenen Jahren versch{\"a}rft hat und sich allen Prognosen zufolge weiter versch{\"a}rfen wird. Diese Entwicklungen gewinnen vor dem Hintergrund der allgemeinen demografischen Entwicklungen, aber auch der kollektiven Alterung der Belegschaften im Krankenhaus noch an Dramatik, da l{\"a}ngere, krankheitsbedingte Arbeitsunf{\"a}higkeiten und Fr{\"u}hverrentungen eher bei {\"a}lteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Pflege aufkommen, als bei j{\"u}ngeren. Leistungen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation stellen einen sozialrechtlichen Tatbestand dar, der u.a. einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entgegenwirken und gegebenenfalls neue berufliche Orientierungen erm{\"o}glichen soll. Zugleich ist davon auszugehen, dass auch im Kontext des betrieblichen Gesundheitsmanagements fr{\"u}hzeitig und pr{\"a}ventiv Konzepte entwickelt und implementiert werden m{\"u}ssen, mit denen Prozesse eines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben gerade f{\"u}r die stark belasteten Pflegeberufe rechtzeitig erkannt und entsprechende Gegenstrategien veranlasst werden k{\"o}nnen. In der Literatur werden eine ganze Anzahl von Faktoren und Aspekten untersucht und diskutiert, die Einfluss nehmen k{\"o}nnen auf die Arbeitszufriedenheit, die Gesundheit von Besch{\"a}ftigten gerade in sozialen Berufen sowie deren Verbleib im Beruf. Die wesentlichen Aspekte sind hierbei die folgenden drei Handlungsfelder: 1., eine ausreichende personelle und materielle Ausstattung und damit verbunden ein zu bew{\"a}ltigendes Arbeitspensum. Dazu geh{\"o}rt grunds{\"a}tzlich auch eine angemessene Entlohnung. 2., funktionierende, soziale Beziehungen im Team, zu den Vorgesetzten sowie den Patientinnen und Patienten und ihren Angeh{\"o}rigen, 3., ein gewisser Handlungs- und Gestaltungsspielraum in Verbindung mit der Bereitschaft, Verantwortung zu {\"u}bernehmen. Dies spielt im Kontext des Wohlbefindens und der Gesunderhaltung von Besch{\"a}ftigten in Pflegeberufen eine bedeutende Rolle. 4., die pers{\"o}nliche Best{\"a}tigung durch den Beruf und entsprechende Systeme der Wertsch{\"a}tzung und Anerkennung. Diese Aspekte sind jeweils eingebettet in die Erwartungshaltung gegen{\"u}ber der organisationalen Kultur sowie den Interaktionen, Kommunikationen und den Beziehungen zwischen Vorgesetzten und nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zwischen den Teammit-gliedern untereinander sowie zwischen den Teams, den Patientinnen und Patienten und ihren Angeh{\"o}rigen. Im Kontext des Wandels der Arbeitswelt innerhalb der Pflegeberufe wird zudem insbesondere auf die besonderen Risiken f{\"u}r {\"a}ltere Besch{\"a}ftigte, aber auch auf ihre besonderen Ressourcen verwiesen. Hier setzt das Pilotprojekt „Reha-Biograf“ an. Ziel ist es, die Wege von Pflegefachpersonen in die Rehabilitation r{\"u}ckblickend zu untersuchen, um Hinweise {\"u}ber generalisierbare Aussagen zu den Verl{\"a}ufen, zu den Risiken und (ggf. verpassten) Chancen zu erhalten. Dazu wurden in Zusammenarbeit mit dem Berufsf{\"o}rderungswerk Koblenz insgesamt 21 Pflegefachpersonen interviewt, die ausf{\"u}hrliche Einblicke in ihren jeweiligen, beruflichen Werdegang bis in die medizinische respektive berufliche Rehabilitation gaben. Die Interviews sind qualitativ angelegt und nutzten eine kombinierte Erhebungsmethodik aus problemzentrierten und episodischen Interviews. Alle Interviews wurden qualitativ-interpretativ analysiert. Es lassen sich, wie erwartet, homogene und heterogene Anteile in den Interviews beschreiben, die sich gleichwohl auf inhaltliche wie auch formale Informationen beziehen. So gibt es eine hohe {\"U}bereinstimmung in den Aussagen bez{\"u}glich der problematischen Arbeitsbedingungen, die von den befragten Pflegefachpersonen als besonders belastend und urs{\"a}chlich f{\"u}r ihre Situation beschrieben werden. Weiterhin wird weitgehend die fehlende bzw. unzureichende Unterst{\"u}tzung durch die Arbeitgeber genannt. Ebenfalls nimmt das Thema der fehlenden Wertsch{\"a}tzung breiten Raum ein und findet seine drastische Aussage in der Formulierung, sich wie „gebraucht und weggeschmissen“ zu f{\"u}hlen. Recht unterschiedliche Angaben werden hingegen erwartungsgem{\"a}{\"s} zum Verlauf der individuell verschiedenen Krankheiten gemacht. Generell sind die Hinweise zu Unterst{\"u}tzungs- oder Interventionsformen etwa im Betrieb, durch Beh{\"o}rden oder auch Familie und Freunde recht unterschiedlich. Ebenfalls gibt es ganz unterschiedliche Bew{\"a}ltigungsmechanismen der Selbsthilfe, {\"u}ber die die Befragten berichten. Als wesentliche Kernthemen der Betroffenen im Zusammenhang mit der Fragestellung der Untersuchung wurden f{\"u}nf Kategorien synthetisiert und n{\"a}her beschrieben. Diese sind: - Rahmen- und Arbeitsbedingungen - Personen- und einstellungsbezogene Faktoren - Rolle des Arbeitgebers und der Vorgesetzten - Rolle des Teams und Einfluss des privaten Umfeldes - Gesundheitsf{\"o}rdernde Ma{\"s}nahmen und Konzepte Letztlich handelt es sich bei den aufgeworfenen Fragen um Aspekte, die auf Prozesse und Entwicklungen verweisen, die nicht selten {\"u}ber Jahre und Jahrzehnte verlaufen. Daher wurde nach Erkl{\"a}rungsans{\"a}tzen f{\"u}r typische Verl{\"a}ufe als eine weitere Dimension der Ergebnisebene gesucht. Auf der Grundlage der intensiven Auswertung des Datenmaterials konnte ein allgemeiner dreiphasiger Verlauf beschrieben werden, den alle Interviewten zum Teil in recht unterschiedlicher Art und Weise durchlaufen haben. Der hier als EKK-Phasenmodell beschriebene, allgemeine Verlauf unterscheidet eine Expositions- von einer Krisen- und einer Konversionsphase. Innerhalb der Expositionsphase wird zwischen diskreten, also weitgehend verdeckt bleibenden Einfl{\"u}ssen und offenen Einfl{\"u}ssen auf das Berufs- und Krankheitsgeschehen unterschieden. Dem schlie{\"s}en sich mehr oder weniger akut bzw. chronifiziert verlaufende Krisenzeiten an. Letztlich m{\"u}nden bei den Untersuchten diese in Phasen der beruflichen Neuorientierung (Konversionsphase). Innerhalb des EKK-Phasenmodells konnten drei Verlaufstypen voneinander unterschieden werden. Verlaufstyp I steht f{\"u}r eine diskrete Expositionsphase mit einer anschlie{\"s}enden akuten Krise. Vier Interviews wurden tendenziell diesem Typus zugeordnet. Verlaufstyp II steht f{\"u}r eine offene Expositionsphase mit einem {\"U}bergang in eine chronifizierte Krise. Diesem Typus wurden zw{\"o}lf Interviews zugeordnet. Verlaufstyp III beschreibt den indifferenten, alternierenden Typen, bei dem keine klare Zuordnung zu einem der anderen beiden Typen gelingt, d.h. bei dem aufgrund der Komplexit{\"a}t und Dynamik Expositionen und Krisen durchaus mehrfach die Auspr{\"a}gung {\"a}ndern k{\"o}nnen. Die Ergebnisse der Pilotstudie „Reha-Biograf“ zeigen in der Gesamtheit ein mitunter erschreckendes Bild pers{\"o}nlicher Berufs- und Leidenswege, bei denen sich die Betroffenen nicht selten von ihren Arbeitgebern allein gelassen f{\"u}hlen. Sie geben damit tiefe Einblicke in einzelne berufsbiografische aber auch pers{\"o}nliche Verl{\"a}ufe. Mittels der Beschreibung von einzelnen, wichtigen Themenfeldern, insbesondere aber auf der Grundlage des allgemein beschriebenen EKK-Phasenmodells mit drei Typen gelingt eine erste Versprachlichung der Ph{\"a}nomene. Dies ist eine wichtige Voraussetzung daf{\"u}r, einerseits weitere Forschungsfragen und andererseits erste Ans{\"a}tze f{\"u}r betriebliche und {\"u}berbetriebliche Ma{\"s}nahmen mit pr{\"a}ventivem Charakter zu entwickeln bzw. bestehende Konzepte zu erg{\"a}nzen oder zu erweitern. Dazu werden abschlie{\"s}end konkrete Empfehlungen gegeben.}, language = {de} }