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Reha-Biograf. Langzeiterkrankte Pflegefachpersonen in der beruflichen Rehabilitation – Ursachen, Wege und Erklärungen

  • Seit Jahren nimmt die Arbeitsverdichtung in der Krankenhauspflege zu. Immer mehr Patientinnen und Patienten müssen in immer kürzerer Zeit von weniger Pflegefachpersonal versorgt und gepflegt werden. Zugleich nimmt die Zahl der beschäftigten Krankenhausärztinnen und -ärzte zu und damit auch die Quantität an medizinischer Diagnostik und Therapie, in die zu einem Gutteil auch Pflegefachpersonen einbezogen sind. Die Arbeitsverdichtung führt auf der einen Seite aufgrund von Rationierungs- und Priorisierungsprozessen zu Problemen in der Versorgungsqualität bei Krankenhauspatientinnen und -patienten, auf der anderen Seite zu verhältnismäßig höheren Krankenständen und Frühverrentungen bei in der Pflege Beschäftigten im Vergleich zu allen anderen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Zugleich wird ein allgemeiner Fachkräftemangel in den Pflegeberufen beklagt, der sich u.a. aufgrund dieser bekannten Belastungen in den vergangenen Jahren verschärft hat und sich allen Prognosen zufolge weiter verschärfen wird. Diese Entwicklungen gewinnen vor dem Hintergrund der allgemeinen demografischen Entwicklungen, aber auch der kollektiven Alterung der Belegschaften im Krankenhaus noch an Dramatik, da längere, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeiten und Frühverrentungen eher bei älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Pflege aufkommen, als bei jüngeren. Leistungen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation stellen einen sozialrechtlichen Tatbestand dar, der u.a. einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entgegenwirken und gegebenenfalls neue berufliche Orientierungen ermöglichen soll. Zugleich ist davon auszugehen, dass auch im Kontext des betrieblichen Gesundheitsmanagements frühzeitig und präventiv Konzepte entwickelt und implementiert werden müssen, mit denen Prozesse eines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben gerade für die stark belasteten Pflegeberufe rechtzeitig erkannt und entsprechende Gegenstrategien veranlasst werden können. In der Literatur werden eine ganze Anzahl von Faktoren und Aspekten untersucht und diskutiert, die Einfluss nehmen können auf die Arbeitszufriedenheit, die Gesundheit von Beschäftigten gerade in sozialen Berufen sowie deren Verbleib im Beruf. Die wesentlichen Aspekte sind hierbei die folgenden drei Handlungsfelder: 1., eine ausreichende personelle und materielle Ausstattung und damit verbunden ein zu bewältigendes Arbeitspensum. Dazu gehört grundsätzlich auch eine angemessene Entlohnung. 2., funktionierende, soziale Beziehungen im Team, zu den Vorgesetzten sowie den Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen, 3., ein gewisser Handlungs- und Gestaltungsspielraum in Verbindung mit der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Dies spielt im Kontext des Wohlbefindens und der Gesunderhaltung von Beschäftigten in Pflegeberufen eine bedeutende Rolle. 4., die persönliche Bestätigung durch den Beruf und entsprechende Systeme der Wertschätzung und Anerkennung. Diese Aspekte sind jeweils eingebettet in die Erwartungshaltung gegenüber der organisationalen Kultur sowie den Interaktionen, Kommunikationen und den Beziehungen zwischen Vorgesetzten und nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zwischen den Teammit-gliedern untereinander sowie zwischen den Teams, den Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen. Im Kontext des Wandels der Arbeitswelt innerhalb der Pflegeberufe wird zudem insbesondere auf die besonderen Risiken für ältere Beschäftigte, aber auch auf ihre besonderen Ressourcen verwiesen. Hier setzt das Pilotprojekt „Reha-Biograf“ an. Ziel ist es, die Wege von Pflegefachpersonen in die Rehabilitation rückblickend zu untersuchen, um Hinweise über generalisierbare Aussagen zu den Verläufen, zu den Risiken und (ggf. verpassten) Chancen zu erhalten. Dazu wurden in Zusammenarbeit mit dem Berufsförderungswerk Koblenz insgesamt 21 Pflegefachpersonen interviewt, die ausführliche Einblicke in ihren jeweiligen, beruflichen Werdegang bis in die medizinische respektive berufliche Rehabilitation gaben. Die Interviews sind qualitativ angelegt und nutzten eine kombinierte Erhebungsmethodik aus problemzentrierten und episodischen Interviews. Alle Interviews wurden qualitativ-interpretativ analysiert. Es lassen sich, wie erwartet, homogene und heterogene Anteile in den Interviews beschreiben, die sich gleichwohl auf inhaltliche wie auch formale Informationen beziehen. So gibt es eine hohe Übereinstimmung in den Aussagen bezüglich der problematischen Arbeitsbedingungen, die von den befragten Pflegefachpersonen als besonders belastend und ursächlich für ihre Situation beschrieben werden. Weiterhin wird weitgehend die fehlende bzw. unzureichende Unterstützung durch die Arbeitgeber genannt. Ebenfalls nimmt das Thema der fehlenden Wertschätzung breiten Raum ein und findet seine drastische Aussage in der Formulierung, sich wie „gebraucht und weggeschmissen“ zu fühlen. Recht unterschiedliche Angaben werden hingegen erwartungsgemäß zum Verlauf der individuell verschiedenen Krankheiten gemacht. Generell sind die Hinweise zu Unterstützungs- oder Interventionsformen etwa im Betrieb, durch Behörden oder auch Familie und Freunde recht unterschiedlich. Ebenfalls gibt es ganz unterschiedliche Bewältigungsmechanismen der Selbsthilfe, über die die Befragten berichten. Als wesentliche Kernthemen der Betroffenen im Zusammenhang mit der Fragestellung der Untersuchung wurden fünf Kategorien synthetisiert und näher beschrieben. Diese sind: - Rahmen- und Arbeitsbedingungen - Personen- und einstellungsbezogene Faktoren - Rolle des Arbeitgebers und der Vorgesetzten - Rolle des Teams und Einfluss des privaten Umfeldes - Gesundheitsfördernde Maßnahmen und Konzepte Letztlich handelt es sich bei den aufgeworfenen Fragen um Aspekte, die auf Prozesse und Entwicklungen verweisen, die nicht selten über Jahre und Jahrzehnte verlaufen. Daher wurde nach Erklärungsansätzen für typische Verläufe als eine weitere Dimension der Ergebnisebene gesucht. Auf der Grundlage der intensiven Auswertung des Datenmaterials konnte ein allgemeiner dreiphasiger Verlauf beschrieben werden, den alle Interviewten zum Teil in recht unterschiedlicher Art und Weise durchlaufen haben. Der hier als EKK-Phasenmodell beschriebene, allgemeine Verlauf unterscheidet eine Expositions- von einer Krisen- und einer Konversionsphase. Innerhalb der Expositionsphase wird zwischen diskreten, also weitgehend verdeckt bleibenden Einflüssen und offenen Einflüssen auf das Berufs- und Krankheitsgeschehen unterschieden. Dem schließen sich mehr oder weniger akut bzw. chronifiziert verlaufende Krisenzeiten an. Letztlich münden bei den Untersuchten diese in Phasen der beruflichen Neuorientierung (Konversionsphase). Innerhalb des EKK-Phasenmodells konnten drei Verlaufstypen voneinander unterschieden werden. Verlaufstyp I steht für eine diskrete Expositionsphase mit einer anschließenden akuten Krise. Vier Interviews wurden tendenziell diesem Typus zugeordnet. Verlaufstyp II steht für eine offene Expositionsphase mit einem Übergang in eine chronifizierte Krise. Diesem Typus wurden zwölf Interviews zugeordnet. Verlaufstyp III beschreibt den indifferenten, alternierenden Typen, bei dem keine klare Zuordnung zu einem der anderen beiden Typen gelingt, d.h. bei dem aufgrund der Komplexität und Dynamik Expositionen und Krisen durchaus mehrfach die Ausprägung ändern können. Die Ergebnisse der Pilotstudie „Reha-Biograf“ zeigen in der Gesamtheit ein mitunter erschreckendes Bild persönlicher Berufs- und Leidenswege, bei denen sich die Betroffenen nicht selten von ihren Arbeitgebern allein gelassen fühlen. Sie geben damit tiefe Einblicke in einzelne berufsbiografische aber auch persönliche Verläufe. Mittels der Beschreibung von einzelnen, wichtigen Themenfeldern, insbesondere aber auf der Grundlage des allgemein beschriebenen EKK-Phasenmodells mit drei Typen gelingt eine erste Versprachlichung der Phänomene. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, einerseits weitere Forschungsfragen und andererseits erste Ansätze für betriebliche und überbetriebliche Maßnahmen mit präventivem Charakter zu entwickeln bzw. bestehende Konzepte zu ergänzen oder zu erweitern. Dazu werden abschließend konkrete Empfehlungen gegeben.

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  • Abschlussbericht der Pilotstudie "Reha-Biograf" an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV). Die Untersuchung beschäftigte sich mit dem Eintritt von Pflegefachpersonen in die berufliche Rehabilitation.

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frontdoor_oas
Metadaten
Verfasserangaben:Frank Weidner, Matthias Brünett, Mareike Müller, Iwona Cissarz
URN:urn:nbn:de:0295-opus4-7640
Dokumentart:Report (Bericht)
Sprache:Deutsch
Jahr der Fertigstellung:2016
Datum der Erstveröffentlichung:16.06.2016
Urhebende Körperschaft:Pflegewissenschaftliche Fakultät
Datum der Freischaltung:16.06.2016
Freies Schlagwort / Tag:Berufsunfähigkeit; Pflegehabitus; berufliche Belastung
GND-Schlagwort:Berufliche Rehabilitation; Pflegeberuf; Habitus; Arbeitsbelastung; Pflegepersonal
Seitenzahl:88
DDC-Sachgruppen:300 Sozialwissenschaften
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften
Zugriffsrecht:Frei zugänglich
Hochschulen:Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar
Lizenz (Deutsch):License LogoCreative Commons - Namensnennung, Nicht kommerziell, Keine Bearbeitung 3.0