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Das Kreuz und die Freude: Eine internationale und überkonfessionelle Untersuchung zur Depressivität bei Seelsorgenden
Depressionen sind nicht nur ein Thema für die Seelsorge. Auch Seelsorgende selbst können unter Depressionen leiden. Aber was ist eigentlich unter dem Phänomen Depression zu verstehen und wie zeigt es sich bei Seelsorgenden? Wie depressiv sind christliche Seelsorgende – weltweit und speziell in Deutschland? Sind sie mehr oder weniger depressiv als andere Menschen? Welche Vulnerabilitäten und Gesundheitsressourcen lassen sich bei Seelsorgenden ausmachen? Und welche Implikationen ergeben sich daraus für die Theologie? Die vorliegende empirische Untersuchung stellt die erste umfassende internationale und überkonfessionelle pastoralpsychologische Studie zu diesem Fragenkomplex dar.
Ausgangspunkt der Untersuchung (Einleitung) bilden eine Vielzahl von Zeugnissen von Priestern und Pfarrern, die Depressionen erlebt haben. Diese Zeugnisse legen den Verdacht nahe, dass Depressionen ein noch zu wenig beachtetes Phänomen unter Seelsorgenden sind.
Im I. Teil dieser Untersuchung werden die notwendigen Grundlagen gelegt, indem für das Thema essentielle Begriffe geklärt werden: Was sind Anliegen und Methode der Pastoralpsychologie? Was wird klinisch-psychologisch unter Depression verstanden? Wie unterscheiden sich Depression und Burn-out beziehungsweise Depression und Geistliche Krisen?
Depression wird in dieser Studie nach dem Diathese-Stress-Modell als bio-psycho-soziales Krankheitsphänomen verstanden, das ein vielgestaltiges, multidimensionales Spektrum von leichten Verstimmungen bis hin zu schwerwiegenden behandlungsbedürftigen Erkrankungen bildet. Grundlegend sind Depressionen durch „einen schwer beschreibbaren, quälenden Verlust an Lebensfreude, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden“ (Payk, 2010, S. 9) gekennzeichnet. Die detaillierten Kriterien für Symptomatik und Diagnose werden ICD-10 beziehungsweise DSM-V entnommen. Ein kurzer Überblick über die internationale und regionale (Deutschland, USA) Epidemiologie wird geboten; biologische, psychologische und soziale Erklärungsmodelle für Depressionen werden kurz dargestellt und es wird ein Ausblick auf die aktuelle Praxis der Therapie gegeben.
Ausführlicher wird die problematische Differenzierung von Depression und Burn-out behandelt. Der Autor dieser Studie plädiert aufgrund von Erkenntnissen aus der empirischen Forschung und aufgrund theoretisch-diagnostischer Überlegungen dafür Burnout als eine Art von Depressivität und nicht als eigenständiges Krankheitsbild zu behandeln. Als Form depressiven Erlebens wird Burnout bei Seelsorgenden in dieser Studie berücksichtigt.
Nicht berücksichtigt wird in dieser Studie das Phänomen geistlicher Krisen („Dunkle Nacht der Seele“), welches zwar Überscheidungen mit Depressionen haben kann, aber dennoch ein genuin spirituelles Phänomen im Sinn einer Wachstumskrise in der Gottesbeziehung darstellt.
Um die Bandbreite depressiver Phänomene besser zu differenzieren, wird in dieser Arbeit begrifflich zwischen Depression (klinisch diagnostizierte Erkrankung nach ICD/DSM-Kriterien) und Depressivität (vorhandene depressive Symptomatik, zum Beispiel mit Fragebögen gemessene Depression oder Burnout) unterschieden.
Im II. Teil dieser Untersuchung wird der internationale empirische Forschungsstand zur Depressivität bei christlichen Seelsorgerinnen und Seelsorgern ausgewertet. Rund 50 Studien von 1990 bis 2021, die sich empirisch mittels psychologischer Testverfahren mit der Depressivität bei Seelsorgenden beschäftigt haben, wurden vom Autor analysiert. Die Analyse des Forschungsstandes erfolgte gegliedert nach Kontinenten (Nordamerika, Australien, Südamerika, Asien, Afrika, Europa). Die Erkenntnisse aus diesen Studien werden gesammelt, in neun Thesen zusammengefasst und kritisch diskutiert.
Die überwiegende Mehrheit der Studien hat katholische oder methodistische Seelsorgende untersucht, während andere Konfessionen nur etwa halb so oft vertreten sind. Werden alle Studien zusammengenommen, so umfassen sie Daten von mehr als 17.500 Seelsorgenden (ohne die Deutsche Seelsorgestudie). Die Seelsorger (♂) sind dabei eindeutig in der Mehrheit. In nicht-katholischen Studien überwiegen die verheirateten Seelsorgenden (65-89.5%).
Die Punktprävalenzen für die Depressivität schwanken (ohne die Ausreißer-Studien) gerundet zwischen 9 bis 20%. Da ein unmittelbares Vergleichen der Studien untereinander schwierig ist, weil unterschiedliche Messmethoden verwendet wurden und die Ergebnisse nicht einheitlich dargestellt werden, wird der Gesamtdurchschnitt der Prävalenzen für die beiden häufigsten Testverfahren, den PHQ und den CES-D berechnet. Als durchschnittliche Punktprävalenz ergibt sich für den PHQ 11.5% und für den CES-D 37.9%. Damit liegen die Seelsorgenden höher als in der Allgemeinbevölkerung beziehungsweise als in bekannten Vergleichsgruppen.
Insgesamt lassen sich keine konfessionellen Unterschiede in der Depressivität erkennen. Die Mehrheit der Studien berichten, dass die Werte für Depressivität bei Seelsorgenden höher sind als in der betreffenden Allgemeinbevölkerung beziehungsweise als in herangezogenen Vergleichsgruppen. Nur zwei Studien berichten in etwa gleichhohe Werte. Ebenfalls nur zwei Studien haben niedrigere Depressivitätswerte bei Seelsorgenden als in Vergleichsgruppen gemessen. Daten zur 12-Monats-Prävalenz und zur Lebenszeitprävalenz von Depressivität bei Seelsorgenden liegen nicht ausreichend vor.
Aus der empirischen Forschung ergeben sich neun wesentliche Erkenntnisse zur Depressivität bei Seelsorgenden:
1. Seelsorgende sind von erhöhter Depressivität betroffen. Das gilt international und konfessionsübergreifend. Dieses Ergebnis ist ein Hinweis auf ein hohes Maß an psychischen Belastungen unter Seelsorgenden. Die bekannten epidemiologischen Zusammenhänge zur Depressivität finden sich auch bei Seelsorgenden: Seelsorgerinnen (♀) sind stärker betroffen als Seelsorger (♂); Jüngere stärker als Ältere. Bemerkenswert ist, dass gerade auch die Seelsorger eine auffällig höhere Depressivität berichten als Vergleichsgruppen.
2. Seelsorgende sind nicht mehr von Burnout betroffen als andere Berufsgruppen. Seelsorgende haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung und im Vergleich zu passenden Berufsgruppen gleichhohe oder tendenziell sogar niedrigere Burnoutwerte. Es zeigt sich, dass kein oder nur ein geringer Zusammenhang zwischen Arbeitslast und Burnout bei Seelsorgenden besteht. Zwar berichten Seelsorgende weltweit hohe Arbeitsbelastungen, allerdings führen diese offensichtlich nicht zwangsläufig zu erhöhten Burnoutraten. Es liegt der Verdacht nahe, dass Seelsorgende unter dem Begriff Burnout ihre erhöhte Depressivität kommunizieren.
3. Seelsorgende mit mehr sozialen Ressourcen sind weniger von Depressivität betroffen. Soziale Unterstützung ist verbunden mit weniger Depressivität (Freundschaften und Familie, ein positives Verhältnis zur Gemeinde und zu Vorgesetzten). Soziale Isolation und empfundene Einsamkeit sind dagegen mit mehr Depressivität verbunden.
4. Seelsorgende, die ihre Spiritualität leben, sind weniger von Depressivität betroffen. Seelsorgende mit einer positiv erlebten, regelmäßigen religiösen Praxis und mit einem hohen spirituellen Wohlbefinden berichten von weniger Depressivität. Umgekehrt sind geistliche Krisen mit mehr Depressivität assoziiert.
5. Seelsorgende, die Sinn und Zufriedenheit in ihrer Berufung erleben, sind weniger von Depressivität betroffen. Die Lebens- und Berufungszufriedenheit, „the sense of a clear vocational direction“ (Knox et al., 2005, S. 151) und das Sinnerleben in der Arbeit zeigen bei Seelsorgenden einen negativen Zusammenhang mit der Depressivität.
6. Seelsorgende mit vulnerablen Persönlichkeiten sind stärker von Depressivität betroffen. Instabile und extrinsisch orientierte Seelsorgende mit hohen Neurotizismuswerten und hoher Selbstaufmerksamkeit berichten von mehr Depressivität.
7. Seelsorgende, die Gratifikationskrisen erleben, sind stärker von Depressivität betroffen. Bei Seelsorgenden zeigt sich, dass effort-reward imbalancement und overcommittment mit mehr Depressivität assoziiert sind. Mangelnder beruflicher Erfolg, finanzielle Sorgen und hohe Ansprüche aus der Gemeinde, von Seiten der Vorgesetzten oder auch an sich selbst, hängen mit erhöhter Depressivität zusammen.
8. Seelsorgende, deren Lebenswelt von Unsicherheit und Niedergang geprägt ist, sind stärker von Depressivität betroffen. Ein depressivitätsfördernder Einfluss von Krisenerfahrungen (zum Beispiel Transformationen durch Säkularisierung, Skandale in der Kirche, Autoritäts- und Bedeutungsverlust von Glauben) lässt sich erkennen.
9. Seelsorgende berichten dennoch international und konfessionsübergreifend von einer hohen Lebenszufriedenheit. Seelsorgende sind also trotz der erhöhten Depressivität nicht einfach nur depressive, sondern zugleich lebensfrohe, glückliche Menschen.
Als Fazit aus den neun Thesen lässt sich festhalten, dass Seelsorgende die gleichen Vulnerabilitäten und Ressourcen in Bezug auf Depressivität haben wie alle Menschen. Dennoch finden sich auch Faktoren, die spezifisch für Seelsorgende sind – insbesondere die Spiritualität, das Berufungsbewusstsein und die Problematik der Säkularisierung als ein Passungsproblem von Person und umgebender Kultur.
Die empirischen Ergebnisse sind kritisch zu reflektieren. Es gibt eine ganze Reihe von Einschränkungen und Limitationen. Besonders muss berücksichtigt werden, dass die Studien aus sehr unterschiedlichen konfessionellen, nationalen, sozialen und kulturellen Kontexten stammen. Die Stichproben sind in vielen Fällen zu klein und nicht ausreichend repräsentativ. Es existieren vielfach auch keine passenden Vergleichsgruppen, sodass die Ergebnisse nicht angemessen eingeordnet werden können (etwa im Vergleich zu Helferberufen). Es existieren zu wenige qualitative Studien und Langzeitstudien. Es lassen sich eine Reihe von seelsorgendenspezifischen Verzerrungseffekten ausmachen (zum Beispiel die krisenhafte Lebenswelt von Seelsorgenden), sodass die psychologischen Messinstrumente teilweise problematisch erscheinen (erkennbar zum Beispiel an der großen Differenz zwischen den Prävalenzen von PHQ und CES-D. Entscheidend ist also nicht nur was gemessen wurde, sondern auch wie gemessen wurde!). Die Thesen stützen sich im Wesentlichen auf Korrelationen, die keine Kausalität bedeuten. Wichtig ist schließlich festzuhalten, dass die erhöhten Depressivitätswerte nicht auf eine erhöhte Pathologie depressiver Erkrankungen unter Seelsorgenden schließen lassen.
Im III. Teil dieser Studie wird vom Autor erstmals die Deutsche Seelsorgestudie zur Gesundheit von katholischen Seelsorgenden in Deutschland aus den Jahren 2012-2014 im Hinblick auf die Depressivität ausgewertet. Ergänzt wird die eigene Auswertung des Autors durch die Erkenntnisse aus der Literatur zur Deutschen Seelsorgestudie.
Die Stichprobe der Deutschen Seelsorgestudie umfasst 8.574 Seelsorgende (Durchschnittsalter 56.2 Jahre), aus den Berufsgruppen von Priestern (♂, 48.5%), Diakonen (♂, 12.1%), Pastoralreferenten (♂♀, 17.7%) und Gemeindereferenten (♂♀, 21.7%). Damit handelt es sich um die größte Stichprobe von Seelsorgenden (42% Rücklaufquote), die in dieser Untersuchung berücksichtigt wird. Gemessen wurde die Depressivität mit der Skala Depr-6 des Brief Symptom Inventory (BSI-18). Die Ergebnisse wurden sowohl als Mittelwerte als auch als T-Werte analysiert und untereinander, sowie mit der Allgemeinbevölkerung und mit passenden Vergleichsgruppen von österreichischen Religionslehrern und amerikanischen Priestern verglichen.
18.5% aller deutschen Seelsorgenden liegen über dem Grenzwert (caseness) der Skala Depressivität des BSI-18. Aus den Vergleichen lässt sich ableiten, dass deutsche Seelsorgende eine erhöhte psychosomatische Belastung berichten: Deutsche Seelsorgende berichten eine höhere Depressivität als die Allgemeinbevölkerung, liegen aber deutlich unter den Werten klinisch auffälliger Vergleichsgruppen (Patienten mit einer Depressionsdiagnose) (3½ - 4½mal niedriger!). Die Seelsorgenden scheinen zumindest ähnlich depressiv belastet wie österreichische Lehrer (♂♀), Sozialarbeiter (♂♀) und Studenten (♂♀). Priester berichten die höchste depressive Belastung. Deutsche Priester berichten überraschenderweise auch eine fast 4-mal höhere psychosomatische Belastung als amerikanische Priester. Die Ergebnisse lassen keine pathologische Deutung zu.
Im IV. Teil der Studie werden in drei Essays pastoralpsychologische und theologische Erwägungen über die empirischen Erkenntnisse angestellt. Dabei wird drei zentralen Fragen nachgegangen: Wie sollte die Kirche mit der Depressivität ihrer Seelsorgenden umgehen? Welche Gründe gibt es für die erhöhte Depressivität bei Seelsorgenden? Welcher Sinn kann in der Depression gefunden werden?
Im ersten Essay wird konkreten praktischen Handlungsoptionen der Kirche angesichts der depressiven Belastung von Seelsorgenden nachgegangen. Der Autor plädiert für ein heilsames Handeln als doppelten Umgang mit depressiven Seelsorgenden aus medizinisch-psychologischer Behandlung state of the art und theologisch-salutogenetischem Heilsverständnis. Besonders wichtig erscheint hier das Angebot medizinisch-psychologischer Hilfe, die Entstigmatisierung von Betroffenen, die Entwicklung eines salutogenetischen Lebensstils unter Seelsorgenden und die ganzheitliche christliche Perspektive von Heil im Unheil, Zuwendung zum Kranken und Kritik an einer Utopie vollkommener Gesundheit.
Im zweiten Essay wird genauer nach möglichen Ursachen für die erhöhte Depressivität von Seelsorgenden gefragt. Hier lassen sich eine Reihe von psychologischen und sozialen Faktoren mit hohem Erklärungswert ausmachen: berufsbedingte Faktoren (Seelsorgende als „crisis people“ (Raj & Dean, 2005, S. 166)); Überidentifikation von Beruf, Berufung und Arbeit; Einsamkeit beziehungsweise fehlende soziale Beziehungen; vulnerable, emotionszentrierte und ausgeprägt sensible Persönlichkeitsstrukturen (konstitutionelle Vulnerabilität als Ressource und Risiko in der Seelsorge); individuelle und organisationale Selektionsprozesse (tendenziell depressivere Persönlichkeiten finden sich in der Umwelt von kirchlichen Strukturen); Erfahrung von Gratifikationskrisen und von Krisen in der Kirche und damit verbundene Verzerrungen der Messungen (Seelsorgende mit ihrem Idealismus sind vielleicht mehr von Frustration als von Depression betroffen; innerkirchliche depressive Dynamiken).
Im dritten Essay wird schließlich ein theologischer Perspektivwechsel auf die Depressivität vorgeschlagen, der ein befreiend sinnvolles Potential in der Depressivität entfalten will. Ausgangspunkt ist der Aufsatz von Romano Guardini „Vom Sinn der Schwermut“ (1928). Bei aller gebotenen Zurückhaltung von Sinndeutungen, die immer nur individuell und subjektiv angenommen werden können und daher als Sinnangebot zu verstehen sind, kann der christliche Glaube eine objektive Gesamtdeutung der Depression beziehungsweise Depressivität wagen. So kann nach sinnvollen Seiten der Depression, also dem Guten im Schlechten gesucht werden. Auch kann die Depression als anthropologische Erfahrung einer existenziellen Vulnerabilität des Menschen gedeutet werden. Die existenzielle Vulnerabilität stellt den Menschen dabei vor die Aufgabe der Annahme der eigenen Endlichkeit und der adäquaten Antwort auf das liebende Gottes- und Selbstverhältnis („Der Sinn des Menschen ist, lebendige Grenze zu sein und dieses Leben der Grenze auf sich zu nehmen und durchzutragen.“ (Guardini, 1928/1983, S. 56)). Die existenzielle Verwundbarkeit kann dabei Ausdruck in der Haltung des „verwundeten Heilers“ finden – einer Metapher, die für das seelsorgliche Handeln fruchtbar sein kann. Schließlich kann die Depression in der umwertenden Theologie von Paulus in einer paradoxen Dialektik von Kreuz (Mt 5,4; 16,24) und Freude (Joh 15,11; Phil 4,4) betrachtet werden. „Durch das Kreuz Jesu Christi wird die Erfahrung der Destruktion des Menschlichen zum Ort der Erfahrung des Lebens, der Kraft und der Fülle Gottes“ (Jacobs, 2000, S. 514). Gegen alle Erfahrung ereignet sich die Wende vom Kreuz zur Freude, auch wenn es im Jetzt noch nicht fassbar ist. Seelsorgende könnten so im Kreuz die „Zeit der Gnade“ (2Kor 6,2) erkennen, die jenseits eigener, nicht heilsidentischer Erfahrung zur tieferen Freude wird, weil sich gerade hierin Heil für sie selbst und für andere ereignet. Daraus kann wiederum Hoffnung für alle Opfer der Depression erwachsen (insbesondere auch stellvertretend für alle, die aufgrund einer Depression Suizid begingen). „Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, alle Misshandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2Kor 12,10). Seelsorgende können so das je Größere von Gott her erwarten und trotzdem handlungsfähig bleiben.
Diese Masterarbeit beschäftigt sich mit dem Thema Lautlesetandems. Dabei handelt es sich um eine gezielte Lesemethode zur Verbesserung der Leseflüssigkeit. Es soll einerseits herausgefunden werden, ob die Leseflüssigkeit mithilfe von Lautlesetandems gesteigert werden kann. Andererseits werden die Elemente des Lautlesetandems während der Durchführung untersucht. Die zentrale Fragestellung richtet sich daher nach den Effekten in Bezug auf die Leseflüssigkeit nach dem Einsatz von Lautlesetandems im Unterricht. Diese Aspekte werden nach einer ausführlichen Literaturarbeit mithilfe eines Mixed-Methods Design genauer beleuchtet. Dabei wird sowohl quantitativ als auch qualitativ geforscht. Bei Schülern/Schülerinnen einer zweiten Klasse Sekundarstufe wurden Lautlesetandems für 14 Wochen in den Unterricht integriert. Dabei fand das Lesetraining dreimal pro Woche in einem Zeitausmaß von 15 Minuten statt. Als quantitative Datenerhebungsmethode kam das Salzburger Lesescreening zum Einsatz. Es wurde damit die Leseflüssigkeit zu zwei Messzeitpunkten von den Probanden/Probandinnen erhoben. Die gesammelten Daten wurden mithilfe des Statistikprogramms SPSS ausgewertet. Als qualitative Datenerhebungsmethode wurde eine teilnehmende Beobachtung eingesetzt. Die Beobachtungsbögen wurden anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015, S.62) ausgewertet. Anschließend wurden alle Ergebnisse interpretiert. Die Resultate der Forschung zeigen, dass die Leseflüssigkeit innerhalb von 14 Wochen gesteigert werden kann. Die Methode lässt sich überwiegend gut im Unterricht durchführen. Die größte Schwierigkeit bildet die Einhaltung des Ablaufs.
Der Heilige Geist - ein Vergleich der Pneumatologien Jürgen Moltmanns und Wolfhart Pannenbergs
(2019)
Wer oder Was ist der Heilige Geist? Diese Frage beschäftigt Theologen seit Beginn der
Kirchengeschichte. In der säkularen Welt spielt die Thematik der Pneumatologie selten eine
Rolle, wohl machen Menschen aber die Erfahrung einer vitalisierenden Kraft. Auch reicht das
Spektrum der Beschäftigung mit dem Geist in Gemeinden von einer Vergessenheit bis hin zu
ekstatischer Hingabe. Jürgen Moltmann und Wolfhart Pannenberg möchten in ihren
Pneumatologien zu einem ganzheitlicheren Verständnis verhelfen, in dem sie das Wirken des
Geistes nicht nur auf seine soteriologische, sondern auch auf trinitarischer, kosmologischer,
ekklesiologischer und eschatologischer Ebene untersuchen. Moltmann verfolgt dabei das
Anliegen, einem monotheistischen Gottesverständnis und der Theodizee den lebensschaffenden
Geist, eingebunden in eine soziale Trinitätslehre, gegenüberzustellen. Dies soll positiven
Einfluss auf das politisch-ökologische Handeln und das ökumenische Gespräch nehmen. Der
Geist wirkt im Zusammenspiel mit Vater und Sohn bei der Schaffung der Welt, welche auf
Vollendung hofft, die der Geist in der Verherrlichung des Vaters durch den Sohn und die
Herstellung der vollkommenen Einheit erwirkt. Er führt verschiedene Charismen auf, die alle
für die Einheit der Gemeinde und Beziehung zu Gott genutzt werden sollen.
Pannenberg ist apologetisch motiviert: er möchte den Geist und damit die wechselseitigen
Wirkungen der Trinität in Analogie zum physikalischen Energiefeld darstellen und auf das
Wirken Gottes in der Gesamtgeschichte, die ihn am Ende als wahren Gott erweisen wird,
aufmerksam machen, um so im wissenschaftlichen Diskurs sprachfähig zu sein. Glaube,
Hoffnung und Liebe stellen die wichtigsten Geistwirkungen am Menschen dar. Der Geist ist
der Vollender aller Dinge.
Im Vergleich zeigt sich, dass zwar unterschiedliche Schwerpunkte aufgrund der verschiedenen
Zielsetzungen vorliegen, sich die generellen Auffassungen der beiden Theologen aber
überschneiden. Beide gehen von einem kontinuierlichen Wirken seit Schöpfungsbeginn aus und
sehen den Geist als Lebensquelle sowie als Mittel und Person an, die am Ende der Zeit Gottes
Verherrlichung erwirkt. Dabei wird dann auch die Einheit der Trinität vervollkommnet und
Gottes Schechina bei den Menschen sein, so Moltmann. Für Pannenberg ist demgegenüber die
immanente Trinität bereits real vervollkommnet, wenn auch für den Menschen noch nicht
offenbar. Gottes ruah und Christi Geist sind für sie identisch; er führt ihn in die Gemeinschaft
mit Gott, verwandelt die Gläubigen und wird die Auferstehung zum ewigen Leben
hervorbringen, wie es Jesu Auferweckung schon vorwegnimmt. Beide rufen zu ökologischer
Verantwortung und ökumenischer Einheit auf und möchten die innertrinitarische, nicht
hierarchische Liebe als Vorbild für kirchliches und gemeinschaftliches Leben darstellen.
„Zuvielisationskritik“
(2021)
Die weltweit anwachsende soziale Ungleichheit und der menschengemachte Klimawandel
sind nur zwei der globalen negativen Auswirkungen des auf Wachstum angewiesenen kapitalistischen Wirtschaftssystems, denen sich die Menschheit zu Beginn des 21.
Jahrhunderts stellen muss. Die drei genannten Krisen verbindet, dass sie alle sehr eng mit menschlichem Konsum und seinen Folgen verstrickt sind.
Der Mensch steht als aktiv handelndes Subjekt im Zentrum möglicher Veränderungen: Wie können möglichst nachhaltige Verhaltensänderungen im Bereich des Konsums erreicht werden? Der Fokus der vorliegenden Masterarbeit liegt auf der Frage, wie mit Hilfe der Themen-zentrierten Interaktion ein Seminar für Bundesfreiwilligendienstleistende zum kritischen Konsum so gestaltet werden kann, dass die Teilnehmenden angeregt werden, eine bewusste Haltung zum eigenen Konsumverhalten zu entwickeln und sich auf diese Weise persönliche Handlungs-spielräume zu eröffnen.
Die theoretischen Grundlagen hierfür liefern die fünf Theorieansätze der Postwachstums-ökonomie (1), des sozialpsychologischen Stage Model of Self-Regulated Behavioral Change (2), der Integrativen Wirtschaftsethik (3), der soziologischen Resonanztheorie (4) sowie der Themen-zentrierten Interaktion (5). Deren jeweilige Wirkungen auf die zu erstellende Seminarkonzeption werden in der Synthese zusammengeführt. Auf der Basis der sieben „Entscheidungsfragen“ von Jörg Knoll als Grundstruktur aufbauend ergibt sich die Konzeption des Bundesfreiwilligendienst-seminars mit dem Titel „Welche Folgen hat (mein) Konsum?“.