Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar
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Nach fast zehn Jahren Pietà-Projektzeit „Getragen im Leid“, einer Dekade voller unterschied- licher Begegnungen, Erfahrungen und Erlebnissen in verschiedenen europäischen Ländern und Sakralräumen, stellt diese Arbeit den Versuch eines Resümees dar. Was mit einem Zufallsfund in München auf dem Dachboden der St. Paulkirche begann, hat eine ungeahnte und ungeplante Eigendynamik entwickelt und motiviert, die Pietà-Skulptur im Zentrum eines im Rahmen der Präsentationen jeweils spezifischen synästhetischen Erfahrungsraums als Medium ästhetischer und religiöser Erfahrung genauer in den Blick zu nehmen.
Dass gerade auch Werke der Kunst Orte darstellen können, an denen besondere ästhetische wie auch religiöse Erfahrungen gemacht werden können, dokumentieren die zahllosen Rückmel- dungen sowohl schriftlicher Art als auch die Rückmeldungen im Rahmen vieler persönlicher Gespräche, die Zeugnis ablegen von der intensiven religiös-auratischen Ausstrahlung der Pietà- Skulptur.
Das Pietà-Projekt dokumentiert, dass Kunst „nach wie vor beeindrucken [...], Ergriffenheit, emotionale Tiefe beim Wahrnehmen hervorrufen [kann] und [...] dabei in der Lage [ist], reli- giöse oder religioeske Gefühle zu beeinflussen, zu generieren oder zu transportieren. Allgemei- ner: Dem Kunstwerk gelingt es häufig und immer noch, Stimmungen, Atmosphäre zu erzeugen und damit ein Thema zu emotionalisieren und jenseits bzw. zuzüglich kognitiver Verarbei- tungsprozesse affektiv zu informieren. Kunst vermag religiöse Gefühle, z.B. der Erschütterung, des Ergriffenseins, des persönlichen Angesprochenseins, vielleicht gar des Erlöstseins zu ent- wickeln [...].“367
Weil es zugleich die Sinnlichkeit von Menschen und Religion betonte, bot das Pietà-Projekt auch die Möglichkeit, die religiöse Erfahrungsfähigkeit zu schulen im Wissen, dass derjenige der „dazu anleiten möchte, sich mit Sinnfragen zu beschäftigen, [...] dies nicht sinnenlos tun [darf]. Es kommt darauf an, möglichst alle Sinne des Menschen anzusprechen und spürbar zu machen, was meist nur vom Hören-Sagen kommt (vgl. Röm 10,17)“.368 Hans Joachim Höhn hat darauf hingewiesen, dass „[g]enau dies aber [...] einen wunden Punkt in Theologie und Kirche [markiert]. Denn viel von der Attraktivitätsschwäche des kirchlichen Christentums re- sultiert aus seinem Versagen, eine überzeugende Alternative zu seiner dogmatischen und mo- ralischen Selbstdarstellung zu entwickeln. Seinen öffentlichen Geltungsverlust sucht man in der Regel durch das auszugleichen, was ihn mitverursacht hat: die Dogmatisierung und Mora- lisierung des Glaubens. Die Kirche erhöht innerhalb dieser Alternative entweder nach innen das Pensum des dogmatischen Glaubenswissens oder sie hofft nach außen auf eine höhere ge- sellschaftliche Akzeptanz über Memoranden, Denkschriften und Moralpredigten, mit der sie dem ethischen Orientierungsbedarf der Gegenwart entgegenkommen will. Das eine ist in seinen Grenzen so sinnvoll wie das andere, jedes einzelne für sich und beide zusammen aber bewirken wenig ohne ein Drittes: die Ästhetik des Glaubens, die ihn ‚sinnenfällig‘ macht. Der Glaube kann nur dann einen ‚sensus‘ für eine andere oder bessere Welt wecken, wenn er zu einer Hal- tung führt, durch die man in dieser Welt ganz und bei allen Sinnen ist.“369
„Was sich im ästhetischen Erleben und Tun zeigt“, dies verdeutlicht das Pietà-Projekt in exemplarischer Weise, „erweist sich als Überschuss über bloß empirische Erfahrungsgehalte. [...] Im ästhetischen Erleben kommt es zur Überschreitung der Grenzen bloßer Dinglich- keit.“370
Dass Pietà-Darstellungen ungeachtet des historischen Kontextes, in dem sie entstanden sind, bis in unsere Tage an Aktualität nichts eingebüßt haben, immer noch „an-sprechen“, liegt wohl auch daran, dass sich dem Betrachter das mit dieser Figurengruppe zum Ausdruck gebrachte Beziehungsereignis – auch ohne entsprechende religiöse Sozialisation und kunsthistorische Vorkenntnisse – unmittelbar erschließen kann. Die Pietà als Darstellung der Begegnung zwischen zwei Menschen in einer existentiellen Situation und damit gleichsam einer zentralen kol- lektiven Ur-Erfahrung der Menschen bietet offensichtlich ein kulturübergreifendes archetypi- sches Vorstellungmuster, das im Betrachter, je nach persönlichem Kontext, in individueller Weise etwas auslöst und zum Klingen bringt.
Bild und Betrachter begegnen sich; der Betrachter wird hineingenommen in das Begegnungs- ereignis, was eine intersubjektive Beziehung, einen (religiös-) affektiven Dialog ermöglicht. Das Schauen führt dazu, dass sich Betrachtender und Pietà gleichsam austauschen und – dies gilt vor allem für die mittelalterliche Frömmigkeit –371 „[d]as Leiden der Mutter Jesu und das Leiden der Betenden interagieren. Maria nimmt sich des Schmerzes der Betenden als heilige Vermittlerin an, die Betrachtenden partizipieren an der Trauer Marias“372 – Videte si est dolor sicut dolor meus. Die Faszination, die insbesondere von der schwarz-golden gestalteten Skulptur des Pietà-Pro- jekts ausgeht, mag auch daher rühren, dass sie als archetypische Symbolgestalt der „Großen Mutter“ einlädt, nicht zu versuchen, die Ambivalenzen unserer Existenz zwischen Leben und Tod, Anfang und Ende, Hell und Dunkel, „Schwärze und Goldglanz“, einseitig durch Verdrän- gung und Nichtwahrhabenwollen aufzulösen, sondern lebenslang auf der Suche zu bleiben nach einer geistigen Heimat, nach Geborgenheit und einer geistlichen Verankerung, die es uns als vergängliche Wesen ermöglicht, die unaufhebbare Widersprüchlichkeit des Lebens zu ertragen und Sinn zu erfahren. Die Pietà führt in aller Deutlichkeit, ja geradezu drastisch, die dunklen Seiten des Lebens vor Augen, lässt aber auch schon – goldschimmernd – Licht ahnen und Hoff- nung schöpfen. Niemals geht man ganz ungetröstet von ihr fort, was die niedergelegten Gebets- anliegen der Besucher und deren persönliche Reaktionen widerspiegeln!
Jede Pietà-Darstellung ist nicht zu denken ohne den Blick auf den Anfang des Bezie- hungsereignisses zwischen Jesus und Maria, steht damit in Kontrastharmonie zur Madonna mit Kind und spiegelt so das Ausgespanntsein der menschlichen Existenz zwischen Anfang und Ende, Leben und Tod wider. Die Krippe steht immer schon im Schatten des Kreuzes.
Das Pietà-Motiv thematisiert in exemplarischer Weise die fundamentale Frage, die dem Leiden- und Sterbenmüssen desMenschen. Ist das Sterben, der Tod, ein Vorgang nackter und unausweichlicher Zerstörung? Oder deutet sich in ihm ein Übergang in ein Größeres an, das anders als vermittels der Spannung von Geborenwerden (Neuanfang) und Sterben gar nicht zu thematisieren ist? Maria hält die Leiche ihres Sohnes in dem Augenblick fest, in dem alle Hoffnung zu schwinden scheint und die Jünger geflohen sind, und sie trägt ihn gleichsam in dieser großen Einsamkeit und gefühlter Ausweglosigkeit jener Geburt zum Leben entgegen, die Christen „Ostern“ nennen.
Demenz und Spiritualität : die Dimension der Spiritualität in der Begleitung von Menschen mit Demenz
(2018)
Bei der vorliegenden Dissertationsschrift handelt es sich um eine theoretisch ausgerichtete Literaturarbeit zu den Themen Demenz und Spiritualität. Zentrales Anliegen der Arbeit ist es, die bisher vernachlässigte Spiritualitätsperspektive in der Begleitung von Menschen mit Demenz vor dem Hintergrund anthropologischer und leibphänomenologischer Ansätze aufzuzeigen. Die Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Phänomenen Demenz, Spiritualität und Leiblichkeit wurden in ein praxisrelevantes Konzept der spirituellen Begleitung von Menschen mit Demenz überführt.
Hintergrund (Kapitel 1 und 2): Das Dissertationsprojekt befasst sich mit dem Schmerz von Frühgeborenen an der Lebensgrenze. Damit Pflegende Schmerzen in der Patientengruppe diagnostizieren können, muss bekannt sein, wie die Früh-geborenen ihre Schmerzen zeigen. Wie die Frühgeborenen Signale und Zeichen des Schmerzes senden, das Erforschen des impliziten Wissens im Forschungs-feld der NICU und von Pflegefachpersonen zum Schmerz der Frühgeborenen ist Anlass für das Projekt. Zur Einordnung des Forschungsstandes wird die Patien-tengruppe der Frühgeborenen an der Lebensgrenze definiert, die überarbeitete Schmerzdefinition der IASP (International Association for the Study of Pain) im Kontext des Schmerzes von Frühgeborenen aufgegriffen, aktuelle Theorien und Annahmen zu fetalem und neonatalem Schmerz beschrieben und Schmerzkon-zepte und Schmerzzeichen vorgestellt, die der Pflegepraxis bereits zum Diagnos-tizieren des neonatalen Schmerzes zur Verfügung stehen. Um das Phänomen Schmerz von Frühgeborenen an der Lebensgrenze zu rekonstruieren und die For-schungsfrage zu beantworten, wurde ein qualitativer, explorativ-interpretativer und zunächst induktiver Ansatz im Design einer ethnografischen Studie gewählt. Der wissenschaftstheoretische Ansatz der Beobachtungsstudie kombiniert mit Interviews ist im Kontext der lebensweltanalytischen Ethnografie Anne Honers verortet (Honer 1993).
Methodisches Vorgehen (Kapitel 3 und 4): Zunächst wurden Beobachtende Teilnahmen im Forschungsfeld einer NICU durchgeführt, dann folgten fokussierte Interviews mit Pflegeexpert:innen. Die Auswertung der Beobachtungsdaten fand in Anlehnung an die rekonstruktive hermeneutische Textanalyse von Birgit Panke-Kochinke (2004) statt. Die Auswertung der Interviewdaten erfolgte in An-lehnung an die fokussierte Interviewanalyse von Kuckartz und Rädiker (2020) im MAXQDA. Die Verwendung unterschiedlicher Datentypen dient der umfas-senderen Beschreibung des komplexen Forschungsgegenstandes (Methodentri-angulation). Begrenzt wurde der Datenkorpus (Breidenstein et al. 2020: 39) durch die Fokussierung auf das Phänomen Schmerz der Frühgeborenen an der Lebensgrenze. Das qualitative Design der Studie und die Vulnerabilität der Pro-banden erforderte im besonderen Maße eine ethische Prüfung des Forschungs-vorhabens (Kraimer 2014: 52).
Ergebnisse: In Kapitel 5 und 6 werden die empirischen Ergebnisse und der Er-kenntnisgewinn zu den Schmerzzeichen der Frühgeborenen an der Lebensgrenze beschrieben und diskutiert. Ergebnis der Analyse aus Beobachtungs- und Inter-viewdaten werden jeweils anhand der Dimensionen des Schmerzes der Frühge-borenen beschrieben. Nach den inhaltlichen Analysen wurden die Kategorien zu ‚Dimensionen des Schmerzes der Frühgeborenen‘, die jeweils aus den Beobach-tungs- und Interviewdaten entstanden, fusioniert (Synthese). Aus den Inter-viewdaten wurde zudem induktiv die Kategorie ‚spezifisch ähnlich erlebte Situa-tionen‘ entwickelt.
Diskussion und Erkenntnisse: Der Schmerz der Frühgeborenen an der Lebens-grenze wurde anhand der fusionierten Dimensionen des Schmerzes der Frühge-borene diskutiert, es wurden besondere Phänomene, Zustände und Schmerzsitua-tionen herausgearbeitet. In der Dimension ‚Physiologische Reaktionen auf Schmerzen‘ wurden kritische Situationen und vitale Bedrohungen aufgrund von Schmerzen herausgearbeitet. Als Ergebnis der Dimension ‚Verhaltenszustand und verhaltensbedingte Reaktionen‘ auf Schmerzen der Frühgeborene wurden die Zustände ‚Zustand der Reaktionslosigkeit‘, ‚Zustand des Entspanntseins und Sicherholen können‘ und ‚Zustand der Unruhe – Agitiertheit‘ für die Frühgebo-rene an der Lebensgrenze beschrieben. Folgende verhaltensbedingte Kommunikationszeichen der Frühgeborenen auf Schmerzen waren ebenfalls das Ergebnis der Analysen: Gesichtsbewegungen wie Grimassieren und Augenöffnen, motorische Stresssignale wie Fäusteln, viszerale Reaktionen wie Spucken und Erbrechen, Aufmerksamkeitssignale wie Weinen und selbstberuhigende bzw. selbstre-gulierende Verhaltensweisen wie Saugen, Hand-zu-Mund- und Hand-zu-Gesicht-Kontakte (vgl. Als 1982). Für diese Forschungsarbeit wurden hieraus die Katego-rien ‚Bewegen (Motorik) mit Muskeltonus/Bewegungsmuster‘, ‚Weinen‘ und ‚Gesichtsausdruck mit Mimik und Blickkontakt‘ entwickelt. Zuletzt werden Empfindungen, Emotionen und Haltungen zu spezifisch ähnlich erlebten Situationen zum Schmerz der Frühgeborene während einer Pflegesituation diskutiert.
Diese Arbeit widmet sich nicht dem Gesamtwerk August Brunners, sondern seinem zentralen Thema: dem dialogischen Verständnis des Selbst. Dieses dialogische Verständnis wird rekonstruiert und die Argumentationsschritte werden herausgearbeitet. Zudem sollen sowohl die phänomenologische Beschreibung auf ihre Nachvollziehbarkeit hin untersucht, wie die Logik der aus ihnen gezogenen Schlüsse und Folgerungen herauspräpariert werden.
Hintergrund In Deutschland werden bis jetzt (2013) nur wenige randomisierte klinische Studien (RCT) im Bereich der klinischen Pflegeforschung durchgeführt. Darüber hinaus lassen sich nur vereinzelt Hinweise darauf finden, inwiefern international übliche Qualitätsstandards berücksichtigt wer-den. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob klinische Studien im Bereich der Pflegeforschung unter Berücksichtigung der Good Clinical Practice (GCP) Guidelines bereits durchgeführt wurden bzw. inwiefern sich diese Leitlinien erfolgreich anwenden lassen. Zur Bearbeitung dieser Fragestellung wird exemplarisch eine klinische Studie mit dem Titel: „Effekte eines pflegerischen Beratungs- und Anleitungs¬programms zur Prophylaxe von oraler Mukositis bei der Therapie mit 5-FU-hal¬tigen Chemotherapeutika bei Patienten mit soliden Tumoren“ durchgeführt. Ziel Ziel dieser Arbeit ist es, für das Feld der Pflegeforschung einen Beitrag zur Entwicklung von qualitativ hochwertigen klinischen Studien im Bereich der Pflegeforschung und deren professionelle Publikation zu leisten. Das hier fokussierte Forschungsinteresse bezieht sich auf zwei Dimensionen. Einerseits geht es darum zu prüfen, inwieweit bestehende Guidelines aus der medizinischen klinischen Forschung im Bereich der klinischen Pflegeforschung sinnvoll eingesetzt werden können. Andererseits erfolgt ganz konkret die Prüfung der Wirksamkeit des pflegerischen Beratungs- und Anleitungspro¬gramms „Mund-Protect“ bei Chemotherapiepatienten. Beide Dimensionen der Arbeit sind mit einem umfangreichen, aus der evidenzbasierten klinischen Praxis stammenden Review-Verfahren gestützt. Methoden und Inhalte In dieser Arbeit wird ein mehrdimensionaler methodischer Ansatz in Anlehnung an den Complex Intervention Guidance des Medical Reseach Council verwendet. Zunächst erfolgt eine Literaturrecherche zu RCTs in der Pflegeforschung mit anschließender Standort¬bestimmung der klinischen Pflegeforschung in Deutschland. Darauf aufbauend werden die Grundlagen für die GCP-konforme Durchführung klinischer Studien in der Pflege beschrieben und einer ersten Beurteilung unterzogen. Im zweiten Teil der Arbeit wird eine pflegewissenschaftliche Fragestellung zur Prävention von oraler Mukositis bei Chemotherapie in Form einer RCT unter möglichst weitgehender Orientierung an der GCP-Guide¬line E6 durchgeführt. Darüber hinaus erfolgt eine ergänzende qualitative Nachdeutung der Endpunkte unter Einsatz eines Methodenmix. Abschließend erfolgt eine Analyse und Auswertung des gesamten Prozesses, einerseits bezogen auf die Studieninhalte und andererseits bezogen auf die Binnenprozesse der durchgeführten Studie. Ergebnisse Als zentrales Ergebnis der klinischen Studie steht fest, dass keine signifikanten Effekte des Interventionsprogramms im Zusammenhang mit dem Auftreten einer oralen Mukositis aufgezeigt werden können (p = 0.766). Die subjektiv erlebte mundgesundheitsbezogene Lebensqualität verschlechtert sich sowohl in der Kontrollgruppe als auch in der Interventionsgruppe deutlich. Die Intensität der Mundpflegemaßnahmen hat sich zwischen der Baseline und dem letzten Erhebungszeitpunkt in der Kontrollgruppe moderat und in der Interventionsgruppe deutlich erhöht. Somit bewirkt das „Mund-Protect“-Programm offensichtlich eine stärkere Steigerung der Mundpflegemaßnahmen im Vergleich zur Kon-trollgruppe. Anhand der Interviewdaten kann festgehalten werden, dass die betroffenen Patienten die Begleitung durch die Studienmitarbeiter, die frühzeitigen Informationen und die Beratung in Krisensituationen als sehr hilfreich empfunden haben. Darüber hinaus erfolgen eine detaillierte Darstellung der Forschungsbinnenprozesse und eine ausführliche Diskussion zur Methodenwahl. Abschließend sind sämtliche Erkenntnisse zur Planung und Durchführung zukünftiger klinischer Pflegeforschungsstudien unter Anwendung von GCP in einer Handlungsempfehlung zusammengefasst. Schlussfolgerung Bei der Diskussion zur Methodenreichweite zeigt sich, dass RCTs und GCP-Guidelines unver-zichtbare Instrumente zum Nachweis von Effekten bei klinischen Studien darstellen. Dennoch muss bei jedem Projekt zu Beginn kritisch geprüft werden, inwiefern diese Methode zum Gegenstand der Untersuchung passt. Mit den GCP-Guidelines steht nicht nur ein Rahmenkonzept für klinische Studien zur Verfügung, sondern auch ein internationales Bewertungssystem für deren Ergebnisse. Damit die deutsche Pflegewissenschaft sich in der Scientific Community besser etablieren kann, ist es unerlässlich, vermehrt Studien mit hoher Qualität unter Berücksichtigung von GCP durchzuführen. Werden pflegerische RCTs qualitativ hochwertig und ethisch untermauert durchgeführt, so können sie Eingang in die systematischen Übersichtsarbeiten der Cochrane Collaboration finden und so zur Publikation der aktuellen Forschungserkenntnisse international beitragen.
Die Pflegewissenschaft steht bei der Messung nicht direkt beobachtbarer Phänomene, wie z.B. Pflegebedürftigkeit oder Pflegequalität vor schwierigen methodischen Herausforderungen. Bei der Entwicklung eines Messinstruments wird die Definition oder Theorie über das zu messende Konstrukt durch das Instrument operationalisiert. Anhand des "Familie Sense of Coherence" (FSOC, Antonovsky) wird die Verwendung eines facettentheoretischen Entwicklungsdesigns zur Umsetzung theoretischer Definitionen in ein Messinstrument demonstriert. Die damit verbundene Validierung des FSOC (deutsche Version) basiert auf den Einschätzungen von 299 pflegenden Angehörigen zu ihrem Familien-Kohärenzgefühl. Die Datenanalyse mittels Multidimensionaler Skalierung (constraint MDS) mit dem Package Smacof in R zeigt, dass sich die dreidimensionale Struktur des SOC auch mit den FSOC-Daten abbilden lässt und die Facetten der SOC-Definition auch die FSOC-Daten strukturieren. Ob und wie sich die Theorie über ein individuelles von einem familienbezogenen Kohärenzgefühl unterscheidet muss mit weiteren Studien untersucht werden. Für die Pflegewissenschaft stellt die Facettentheorie eine geeignete Methodologie zur Instrumentenentwicklung dar, die die Methoden der klassischen noch probabilistischen Testtheorie notwendigerweise ergänzt, jedoch nicht ersetzt.
Bei cluster-randomisierten Interventionsstudien im Rahmen der Pflegeforschung erfolgt die Randomisierung in der Regel nicht über Individuen sondern über Pflegeeinheiten, z.B. Stationen. Der Einfluss der Clusterzugehörigkeit auf den Interventionseffekt wird als Intra-Cluster-Correlation (ICC) bezeichnet und ist bereits bei der Fallzahlschätzung zu berücksichtigen. Dieser Wert ist jedoch bei Studienbeginn nicht bekannt, so dass auf bereits veröffentlichte Werte aus vorangegangenen Studien zurück gegriffen werden muss (Kuß et al., 2009). In dieser Arbeit werden verschiedene Schätzer zur Bestimmung der ICC vorgestellt sowie die ICC für verschiedene Variablen im Rahmen einer Sekundäranalyse ermittelt.
Im Theorieteil dieser Arbeit werden die Methode des Hypothesentestens in ihrer Entwicklung sowie die Bedeutung von Signifikanzniveau und Power beschrieben. Die den Untersuchungen meist zugrunde liegenden konventionellen Werte für Signifikanzniveau und Power werden kritisch hinterfragt.
Im Rahmen der Datenanalyse wurde eine Sekundäranalyse der am Lehrstuhl für Statistik und standardisierte Methoden für Pflegeforschung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar erhobenen Daten der PiSaar-Studie (Brühl, Planer, 2013) durchgeführt. Auf Grundlage des Common-Correlation-Modells wurde die ICC für ausgewählte personenbezogene Variablen mit unterschiedlichen Schätzern bestimmt und verglichen. Die Schätzer wurden sowohl auf die Grundgesamtheit sowie auf heterogene Clustergrößen angewendet. In einem weiteren Schritt wurde untersucht, inwiefern die Eignung der Schätzer von der Erfolgsrate der untersuchten Variablen abhängt.
In Form einer Simulationsstudie wurden die ICC mit den untersuchten Schätzern über alle möglichen Kombinationen aus k=2 und k=3 Clustern sowohl über alle Wohnbereiche als auch nach gruppierten Wohnbereichsgrößen berechnet.
Ergänzend werden die berichteten ICC aus der Ulmer Sturzstudie (Kron, 2003) sowie aus zwei Studien von Meyer et al. (2009) und Köpke et al. (2012) zur Fixierung in Altenheimen zusammenfassend dargestellt.
Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass die ICC hohe Werte annehmen kann, die bei der Fallzahlschätzung nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Zum anderen wird deutlich, dass die ICC insbesondere dort hoch ausfällt, wo die Einschätzung des Bewohnerzustandes nicht auf objektiven Daten sondern auf fachlicher Expertise der Pflegefachkräfte beruht. Somit sind die ICC-Werte für solche Variablen nur sehr begrenzt auf andere Studien übertragbar.
Die sicherste Methode zur Schätzung der ICC im Vorfeld einer Untersuchung bleibt daher die Durchführung einer eigenen Vorstudie. Als einfaches und stabiles Verfahren für die Ermittlung der ICC hat sich der Varianzanalyse-Schätzer erwiesen.
Die Konstitution des Pflegesubjekts wird auf der Grundlage einer Diskursanalyse nachvollzogen, indem spezifisch geronto-pflegerische Diskursfelder analysiert werden. Der pflegepraktische Diskurs, der pflege-juridische Diskurs und der pflegepädagogische Diskurs lassen sich auf der Grundlage einer poststrukturalistischen Analyse und mit dem Fokus auf eine spezifische Pflegekultur so öffnen, dass die Bedingungen einer spezifischen Konstitution des Pflegesubjekts evident werden. In einem weiteren Schritt wird der Versuch skizziert, bestimmte unterwerfende Formen pflegerischer Subjektkonstitution zu überwinden. Dieser Weg führt über die Einführung von Denkfiguren, die wesentlich von Emmanuel Levinas und Jacques Derrida geprägt sind und nach dem Entwurf der Pflegesituation als Ereignis fragen. Die bedingungslose Anerkennung des absolut Anderen in der Pflegesituation und eine damit verbundene altenpflegerische Grundhaltung, eröffnen Perspektiven auf alternative Subjektentwürfe im geronto-pflegerischen Handlungsfeld.
Die katholische Kirche in Deutschland ist mit über 1000 Einrichtungen ein wichtiger Akteur im Bereich der stationären Altenhilfe. Die dort tätigen Leitungskräfte tragen Verantwortung für die Umsetzung des kirchlichen Auftrags gegenüber den älteren Menschen. Deshalb ist es nicht unerheblich, wie ihre berufliche Rolle theologisch und innerkirchlich definiert wird. Auffallend ist, dass die Leitungen katholischer Altenheime nicht als „kirchlicher Beruf“ bezeichnet werden. Die theologische Aufmerksamkeit richtet sich fast ausschließlich auf die kirchlichen Ämter und Berufungen. In der Praxis der kirchlichen Personalarbeit wird unterschieden zwischen „kirchlichen Berufen“ und „sozialen Berufen in der Kirche“. Diese Unterscheidung bezeichnet nicht nur eine Zweiteilung der kirchlichen Berufswelt sondern entspricht auch der oft beklagte Trennlinie zwischen der Kirche und ihrer Caritas. Es ist deshalb zu fragen, ob die Kirche die Realität der Leitungsverantwortung in der stationären Altenhilfe der Caritas ausreichend wahrnimmt. Eine unzureichende Anerkennungskultur, so die These, beeinträchtigt die Identifikation der Leitungskräfte in der Altenhilfe mit der Kirche und die Chancen der Kirche, ihre Altenhilfeeinrichtungen als Orte der Evangelisierung zu gestalten. Sie unterminiert auch die Glaubwürdigkeit der Kirche, die die Gleichwertigkeit ihrer Grundfunktionen Diakonie, Liturgie und Verkündigung betont. Als Ursache der vorgefundenen Dichotomie wird eine unklare und doppelte Zielstellung der Kirche identifiziert. In kirchlichen Verlautbarungen zeigt sich häufig eine doppelte Zielformulierung, die zum einen auf die Ehre Gottes verweist und zum anderen auf das Heil der Menschen. In der Frage, ob es sich um zwei divergierende Ziele handelt oder ob ein einziges Ziel mit unterschiedlichen Begriffen ausgesagt wird, wird die theologische Grundlegung der Berufe in der Kirche verhandelt, denn Berufe sind aufgrund ihres instrumentellen Charakters auf eine deutliche Zielstellung angewiesen. Die Untersuchung zeigt, dass die kirchliche Zielstellung schwankt zwischen einer der ständischen „Logik der Ehre“ verhafteten Semantik und Praxis der Ehre einerseits und einer durch die jüdisch-christliche „Vision des Schalom (des Heils, des guten Lebens für alle, u.ä.)“ geprägten Verkündigung und Arbeit andererseits. Dies hat auch damit zu tun, dass die „Logik der Ehre“ nicht durch die Auflösung archaischer und ständischer Gesellschaftsformen erledigt ist, sondern als besondere Form von Anerkennungsverhältnissen auch in modernen Gesellschaften weiter existiert. Um zu einer eindeutigen und biblisch fundierten gemeinsamen Zielstellung der Berufe in der Kirche zu kommen, wird ausgehend vom Kern des jüdischen Glaubens, dem monotheistischen Gottesbild, gezeigt, wie in der nachexilischen Theologie die allein Gott zukommende Ehre und Verehrung zu einer wachsenden Kritik an der archaischen und ständischen „Logik der Ehre“ führt. Sie gipfelt in der Verkündigung Jesu und der Apostel, in der die „Vision des Schalom“ als zentrale Handlungssteuerung die „Logik der Ehre“ ablöst. Die Arbeit der Leitungen katholischer Altenheime wird daran anschließend als Mitarbeit am Schalom-Auftrag der Kirche beschrieben. Ob in der Emotionsarbeit der Pflegenden angesichts von ekeleregenden Situationen, ob im Umgang mit Macht und Geld, in der Bewertung von Handarbeit oder von Frauenberufen in der Einrichtung, in der Wahl von Konzepten für den Umgang mit Demenzkranken oder mit Verfahren ethischer Entscheidungsfindung, schließlich in der Verantwortung für Sterbeprozesse in der Einrichtung und für die Gemeinschaft der Heimbewohner und Pflegenden – in all diesen Verantwortungsbereichen wird die Entscheidung zwischen der „Logik der Ehre“ und der „Vision des Schalom“ alltäglich neu herausgefordert. In der Mitarbeit der Heimleitungen am kirchlichen Auftrag geht es in dieser Perspektive nicht um die Frage, wie das Evangelium in die Organisation kommt, sondern darum aufzudecken, wo die Anfragen des Evangeliums im Organisationsalltag begegnen und bewusst oder unbewusst bearbeitet werden. Dabei geht es nicht um randständige, sondern um zentrale Fragen der Evangelisierung. Deshalb wird dafür plädiert, die Leitung eines katholischen Altenheims als kirchlichen Beruf zu verstehen. Dieser neue Blick auf den Begriff des kirchlichen Berufs führt zu verschiedenen Konsequenzen, die im abschließenden Kapitel unter den Stichworten Kompetenzorientierung, gemeinsames modulares Lernen, Berufsdurchlässigkeit, Auswahlverfahren und Berufseinführung behandelt werden. Auch die gerade im Bereich der Pflege wahrzunehmenden Professionalisierungsdynamiken geraten unter der Perspektive der Sorge um Schalom unter einen kritischen Blickwinkel. Konsequenzen ergeben sich auch für die gemeinsame Verantwortung aller kirchlichen Berufe für den Sozialraum. Nicht zuletzt die Formulierung kirchlicher Loyalitätsobliegenheiten und einer eigenen christlichen Unternehmensphilosophie können durch die Ausrichtung auf den Schalom-Auftrag neu inspiriert werden. Anforderungen ergeben sich auch an die Organisation und Vertretung von kirchlichen Berufsgruppen und die künftige Begrifflichkeit für die Berufe in der Kirche.
Die Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA) - ein Instrument zum Erfassen von Pflegequalität?
(2015)
Seit dem Jahr 2009 werden in deutschen ambulanten Pflegediensten Qualitätsprüfungen vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) durchgeführt. Die darin berechneten Noten sind im Internet öffentlich einsehbar. Grundlage dieser Prüfungen ist die Pflege-Transparenzvereinbarung Ambulant (PTVA). Zu Beginn dieser Prüfungen gab es häufiger die Note „mangelhaft“ für ambulante Pflegedienste in Rheinland-Pfalz, mittlerweile erhalten die meisten Pflegedienste die Note „sehr gut“. Es stellt sich die Frage, ob mit der PTVA Pflegequalität valide gemessen werden kann. In der durchgeführten Untersuchung wurden 989 Datensätze von MDK-Prüfergebnissen aus 144 ambulanten Pflegediensten von den drei Bundesländern Rheinland-Pfalz, Saarland und Baden-Württemberg (2010 - 2011) untersucht. Mit Hilfe der Probabilistischen Testtheorie wurde geprüft, ob das Rasch Modell für die dichotomen Daten gilt, welche mit der PTVA erhoben werden. Zudem wurde überprüft, ob die validen Summenwerte aus den dichotomen Daten der PTVA verlässlich in Noten überführt werden dürfen. Der aktuellen Version der PTVA fehlt eine theoretische Fundierung. Bei der Entwicklung dieses Instrumentes wurde die Wissenschaft nicht ausreichend eingebunden, daraus entstehen gravierende methodische Probleme und somit sind die Ergebnisse der Qualitätsprüfungen ambulanter Pflegedienste in Deutschland nicht haltbar. Es konnte nachgewiesen werden, dass das 1 PL Rasch - Modell nicht für die mit der PTVA erhobenen Daten gilt und deshalb die anhand der PTVA erstellten Noten zur Pflegequalität von ambulanten Pflegediensten nicht haltbar sondern abzulehnen sind. Bevor ein neues Instrument für die Qualitätsmessung in der ambulanten Pflege entwickelt werden kann, sind vorher der Qualitätsbegriff und die dazu gehörenden Dimensionen empirisch zu untersuchen. Danach kann erst der wissenschaftliche Prozess der Instrumentenentwicklung beginnen, um ein zuverlässiges und gültiges Instrument für Qualitätsmessungen in ambulanten Pflegediensten zu erhalten.