CARS Working Papers
Centrum für Antisemitismus- und Rassismusstudien (CARS), In-Institut Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen
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Inceldom meets Jihadism. Antisemitismus und Misogynie in gegenwärtigen Rebellionen gegen die Moderne
(2025)
Sowohl bei der Incel-Ideologie als auch beim Jihadismus handelt es sich um hochgradig misogyne und antisemitische Weltanschauungen. Erstere wird bislang vor allem im Hinblick auf ihren Antifeminismus analysiert, letztere gerät wissenschaftlich überwiegend hinsichtlich ihres Antisemitismus in den Blick – selten werden jedoch beide Aspekte gemeinsam untersucht. Dies änderte sich auch nicht angesichts der Massaker der Hamas und anderer islamistischer Gruppen am 7. Oktober 2023, welche die tödliche Verstrickung von Frauenhass und Antisemitismus innerhalb des Jihadismus unübersehbar machte. Dieser Beitrag analysiert die auf den ersten Blick sehr unterschiedlich erscheinenden Weltanschauungen, setzt sie zueinander in Beziehung und interpretiert sie als verschiedene Formen gegenwärtiger Rebellionen gegen die Moderne. Anhand empirischer Beispiele aus den Schriften von Sayyid Qutb, einem Hauptideologen des Jihadismus, sowie dem größten Incel-Forum incels.is wird aufgezeigt, wie Antisemitismus und Misogynie jeweils miteinander verwoben sind und auf welche Weise sich anhand der Weltanschauungen autoritäres Potenzial zum antidemokratisch autoritären Syndrom verdichten kann.
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Der Beitrag analysiert die Verschränkung von Antisemitismus, Geschlechterverhältnissen und kollektiven Identitätskonstruktionen im marokkanischen Kontext. Im Fokus stehen der Antisemi-tismus bei islamistischen, panarabischen Akteurinnen und Akteuren sowie jene zivilgesellschaftlichen Akteur:innen, die sich gegen Antisemitismus engagieren. Islamistische und panarabische Gruppen nutzen Antisemitismus als ideologisches Bindeglied und Mobilisierungsressource. Insbesondere bei islamistischen Akteur:innen finden sich patriarchale und homophobe Positionierungen, die teilweise mit Antisemitismus verbunden sind. Auf der Grundlage von über hundert Interviews, Hintergrundgesprächen mit Akteur:innen der Antisemitismusbekämpfung sowie teilnehmender Beobachtungen zeigen sich Positionierungen, die für Geschlechtergerechtigkeit, individuelle Rechte und gegen Homophobie eintreten. Antisemitismus und Vorstellungen über Geschlechterverhältnisse sind eng miteinander verknüpft. Der Kampf gegen Antisemitismus ist Teil des Ringens um die kollektive Identität und um demokratische Zukunftsvisionen in Marokko, die Geschlechterverhältnisse mit einschließen.
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In der Öffentlichkeit ist die Wahrnehmung weit verbreitet, die deutsche radikale Rechte und insbesondere die Alternative für Deutschland (AfD) habe ihren Antisemitismus durch andere Ressentiments ersetzt und sich zu einer „israelfreundlichen“ oder gar „anti-antisemitischen“ politischen Kraft entwickelt. Der Artikel analysiert vor diesem Hintergrund rechtsradikale Reaktionen auf die Massaker vom 7. Oktober 2023 und fragt nach der Bedeutung von (israelbezogenem) Antisemitismus in der radikalen Rechten. Dabei kristallisiert sich ein komplexes Bild postfaktischer Positionen heraus, bei denen oberflächlich proisraelische Positionen existieren, diese aber weitgehend von israelfeindlichen und antisemitischen Ideologemen überlagert werden. Auch die pro-israelischen Positionen erscheinen von einer projektiven Sicht auf Israel und den Nahen Osten bestimmt, die den jüdischen Staat für eigene ethnozentrische Politikvorstellungen, Ideologien und Ressentiments instrumentalisieren.
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Aktuelle postkoloniale Theorien beziehen sich oft auf ihre antikolonialen Vordenker und erwecken dabei den Eindruck, auf eine lange Tradition israelfeindlicher Narrative zurückzugreifen. Insbesondere nach den Ereignissen des 7. Oktober werden immer wieder Verbindungen zum Werk des martinikanischen Dichters und Denkers Aimé Césaire hergestellt, der mit Über den Kolonialismus in den 1950er Jahren einen bedeutenden Text für die anti- und postkoloniale Theoriebildung verfasste. Der Beitrag beleuchtet, wie zeitgenössische postkoloniale Theoretiker_innen Césaires Werk nutzen, um eigene israelfeindliche Positionen zu stützen, und kontrastiert diese mit Césaires eigenen Thesen zum sogenannten Nahostkonflikt.
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Selbst in jüngerer Zeit machen historische Darstellungen und Presseberichte vielfach noch glaubhaft, der Nahostkonflikt habe erst mit der Gründung des Staates Israel 1948 begonnen. So ist einerseits von vornherein eine Schuldzuweisung gegen die Gründerinnen und Gründer des jüdischen Staates formuliert und andererseits bleiben mit der verkürzten Chronologie maßgebliche Entwicklungen und Weichenstellungen unerwähnt, was entscheidend zur verzerrten Wahrnehmung des Konfliktgeschehens beiträgt. Demgegenüber weist dieser Beitrag nach, dass das arabisch-jüdische Verhältnis keineswegs von Beginn an vorrangig konfliktbeladen war. Vielmehr verbanden arabische Radikale ab den 1920er Jahren ihre anfangs noch sektiererischen Vorstellungen eines Nation-Building aus freien Stücken mit radikalem Antisemitismus. In den 1930er Jahren nahm der im Deutschen Reich an die Macht gelangte Nationalsozialismus für solche Fraktionen eine zentrale ideologische Vorbildfunktion ein, wenig später entwickelte er sich zum unmittelbaren Bündnispartner. Die unheilvolle Allianz ließ das britische Mandatsgebiet zu einem noch immer wenig wahrgenommenen Kapitel im Holocaust werden, dem die dortigen Jüdinnen und Juden nur knapp entgingen. Die in den Jahrzehnten bis 1948 er folgten Weichenstellungen sollten die weitere Geschichte des Nahen Ostens nachhaltig prägen, und ohne eine Berücksichtigung dieser Phase kann der Konflikt um Israel kaum angemessen verstanden werden.
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'Schuldkult' und 'German Guilt'. Rechte und linke Abwehr durch Projektion im Kontext des 7. Oktobers
(2025)
Der Artikel untersucht rechte und linke Schuld-Diskurse im Kontext des 7. Oktobers 2023. Während die extreme Rechte den Begriff des ‚Schuldkults‘ nutzt, um die deutsche und österreichische Erinnerungskultur zu delegitimieren, findet sich eine ähnliche Argumentation in Teilen der sich selbst als pro-palästinensisch verstehenden, antiimperialistischen Linken. Beide Diskurse teilen die Vorstellung, dass die Shoah zu einer ‚Zivilreligion‘ erhoben worden sei, um bestimmte politische Interessen abzusichern. Sowohl im rechten als auch linken Schuld-Diskurs werden antisemitische Narrative reproduziert und mit verschwörungsideologischen Motiven verknüpft. In beiden Fällen wird die Shoah-Trivialisierung genutzt, um Schuld und historische Verantwortung abzuwehren und das eigene politische Narrativ zu stärken.
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Die deutsche sogenannte Neue Rechte zeigt sich ambivalent gegenüber Israel und dem Islam. Sie benutzt beide als Projektionsflächen, um den behaupteten Verlust nationaler Souveränität zu kompensieren. Ihre Autoren beziehen sich meist auf das Erbe der antidemokratischen Weimarer Rechten („Konservative Revolution“), die als Gegenentwurf zum liberal-demokratischen Westen verstanden wird. In diesem Diskurs wird Israel teils als Bollwerk gegen eine als bedrohlich empfundene Islamisierung dargestellt, während Elemente des Islam teils als potenzielle geopolitische Partner inszeniert werden. Diese ambivalente Positionierung weist Parallelen zu historisch gewachsenen Haltungen der Alten Rechten auf, die bereits im Nationalsozialismus mit einer flexiblen Bewertung des Islam agierte. Im Laufe der Zeit führte insbesondere die Einwanderung aus muslimisch geprägten Gesellschaften und die Intensivierung der globalen politischen Dynamiken zu einer Verschiebung: Ab den 2000er Jahren kristallisierte sich eine antimuslimische Rechte heraus, die proisraelische Positionen einnahm und damit die Neue Rechte herausforderte.
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Seit dem Massaker vom 7. Oktober 2023 hat der israelbezogene Antisemitismus in Lateinamerika eine neue Intensität erreicht. In vielen Ländern berichtet die jüdische Zivilgesellschaft von einem signifikanten Anstieg antisemitischer Gewalttaten in Zusammenhang mit dem Angriff auf Israel. Diese Befunde stehen in einer jahrzehntelangen Tradition, die bis in die Anfänge des Kalten Krieges zurückreicht. Von der kubanischen Revolution und der Guerilla über die neopopulistischen Linksregierungen bis hin zu neuen sozialen Bewegungen hat sich in der Region eine spezifische Ausprägung antizionistischer Weltanschauungen herausgebildet, in denen die Dämonisierung des jüdischen Staates an den Gelegenheitsstrukturen der lateinamerikanischen Gesellschaftsgeschichte anhaftet.
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Inceldom meets Jihadism. Antisemitismus und Misogynie in gegenwärtigen Rebellionen gegen die Moderne
(2025)
Sowohl bei der Incel-Ideologie als auch beim Jihadismus handelt es sich um hochgradig misogyne und antisemitische Weltanschauungen. Erstere wird bislang vor allem im Hinblick auf ihren Antifeminismus analysiert, letztere gerät wissenschaftlich überwiegend hinsichtlich ihres Antisemitismus in den Blick – selten werden jedoch beide Aspekte gemeinsam untersucht. Dies änderte sich auch nicht angesichts der Massaker der Hamas und anderer islamistischer Gruppen am 7. Oktober 2023, welche die tödliche Verstrickung von Frauenhass und Antisemitismus innerhalb des Jihadismus unübersehbar machte. Dieser Beitrag analysiert die auf den ersten Blick sehr unterschiedlich erscheinenden Weltanschauungen, setzt sie zueinander in Beziehung und interpretiert sie als verschiedene Formen gegenwärtiger Rebellionen gegen die Moderne. Anhand empirischer Beispiele aus den Schriften von Sayyid Qutb, einem Hauptideologen des Jihadismus, sowie dem größten Incel-Forum incels.is wird aufgezeigt, wie Antisemitismus und Misogynie jeweils miteinander verwoben sind und auf welche Weise sich anhand der Weltanschauungen autoritäres Potenzial zum antidemokratisch autoritären Syndrom verdichten kann.
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Der 7. Oktober und die Shoah. Kontinuitäten im Antisemitismus der Hamas und ihre Tabuisierung
(2025)
Wenige Wochen nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 veröffentlichten prominente Holocaust-Forscher einen „Offenen Brief über den Missbrauch der Holocaust-Erinnerung“. Darin lehnen sie alle Versuche, die Ursachen des Massakers vom 7. Oktober mit dem Holocaust in Verbindung zu bringen, als „intellektuelles und moralisches Versagen“ ab. Dieser Auffassung widerspricht der Beitrag: Er beschreibt die ideologischen, historischen und semantischen Beziehungen, die den Antisemitismus der Hamas mit dem der Nazis verbinden und zeigt, warum es falsch ist, Israel für den 7. Oktober verantwortlich zu machen. Er belegt am Beispiel Omer Bartovs, wie pauschale „Israelkritik“ den Blick auf die Geschichte und die Gegenwart des Nahostkonflikts zu trüben vermag und diskutiert mögliche Auswirkungen des Hamas-Massakers auf das zukünftige Holocaust-Gedenken.