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Die Lehre vom Menschen ist für den Theologen und Philosophen Paul Tillich kein Teilgebiet seiner Systematischen Theologie, sondern nimmt darin eine entscheidende Rolle ein. Dies wird schon in seiner Methodik deutlich. Tillichs Methode der Korrelation unternimmt den Versuch die Fragen der menschlichen Situation mit den Antworten der göttlichen Offenbarung in Beziehung zu bringen. Seine Theologie will antwortende Theologie sein, die nicht an den Menschen vorbei redet. Insofern beginnt seine Theologie bei den Fragen des Menschen und dem Menschen an sich, der selbst die Frage ist. Tillich greift, zur Bearbeitung seiner Anthropologie, auf ein philosophisches Begriffsinstrumentarium zurück wodurch seine Anthropologie vor allem philosophische Anthropologie in theologischem Horizont ist. Auf den Grundlagen von Ontologie, Epistemologie und Existenzialphilosophie aufbauend, zeichnet er das Bild des entfremdeten Menschen. Dieser ist aus dem Zustand der „träumenden Unschuld“ – aus dem Paradies – herausgefallen. Während in seinem Urzustand das essentielle und das existentielle Sein in harmonischer Beziehung standen, ist diese Beziehung nach dem (Sünden)Fall korrumpiert. Die Begriffe „Essenz“ und „Existenz“ nehmen bei Tillich eine Schlüsselrolle bei der Beschreibung der menschlichen Konstitution ein. Die Essenz beschreibt den Menschen, wie er sein sollte, während die Existenz den Menschen meint, wie er ist. Die Anthropologie Tillichs baut auf der Erzählung vom „Fall“ auf, weil erst durch den „Fall“ der Mensch und die Schöpfung aus einem Zustand unendlicher Potentialität in die verwirklichte Existenz übergehen. Im Zustand der Existenz sind essentielles und existentielles Sein voneinander entfremdet, weshalb Tillich von der Entfremdung des Menschen im Zustand der Existenz spricht. Tillichs Christologie basiert auf der Überwindung dieses Zustandes, die in dem Leben Jesu als dem Christus realisiert wurde. Christus als das „Neue Sein“ stellt die Harmonie zwischen Essenz und Existenz wieder her, indem er unter den Bedingungen der Existenz das essentielle Sein verwirklicht. Dadurch ermöglicht er dem Mensch ebenfalls neues Sein, wenn er an dem Leben Christi partizipiert. Der gegenwärtige Mensch bleibt solange ein Fragender, bis er von dem göttlichen Geist ergriffen worden ist. Seine entfremdete Existenz – Tillich spricht auch von zweideutigem Leben – fragt nach dem neuen Sein und versucht von sich aus zu diesem Sein zu gelangen. Jedoch müssen diese Versuche scheitern, da nur der göttliche Geist eindeutiges/unzweideutiges Leben ermöglichen kann. Er ist die Antwort auf die Frage nach dem eindeutigen Leben. Durch die göttliche Gabe des eindeutigen Lebens, womit Tillich die erneuerte Beziehung von Essenz und Existenz meint, wird der Mensch fähig zu „echtem“ Glauben und „echter“ Liebe (agape). Von dem göttlichen Geist ergriffen geschehen im Menschen „Wiedergeburt“ und „Rechtfertigung“. Außerdem setzt der Prozess der „Heiligung“ ein, indem der Mensch immer mehr von dem göttlichen Geist zu einem Ebenbild des „Neuen Seins“ umgeformt wird. Tillichs Anthropologie muss im Kontext seiner antwortenden Theologie verstanden werden. Er möchte mit seinem offenen System Anknüpfungspunkte für andere Wissenschaften, wie etwa die Psychologie und die Naturwissenschaften, bieten. Die wohl entscheidendste Pointe seines Ansatzes liegt in seiner Verständlichkeit. Als Tillich diesen entwickelte hatte er seine intellektuellen Zeitgenossen und ihre Fragen vor Augen. Man könnte von einer „milieusensiblen“ Systematik sprechen, die Tillich präsentiert. Seine Neuformulierung und Übersetzung der christlichen Botschaft, ohne Rückgriff auf kirchengeschichtlich „vorbelastete“ Termini und dogmatische Lehrsätze kann nicht hoch genug geschätzt werden. Der Verfasser versteht Tillichs (anthropologisches) Konzept als Einladung kontextuelle Theologie zu betreiben, die den gegenwärtigen Menschen angeht. Dabei dürfen aber Problembereiche der Tillich’schen Anthropologie nicht ausgeblendet werden. Tillichs rühmlicher Versuch einer Neuinterpretation der christlichen Lehre vom Menschen neigt dazu sich sehr weit von der biblischen Vorlage zu entfernen. Nach Meinung des Verfassers weicht Tillich an einigen Stellen so weit von der biblischen Vorlage ab, dass er keine neue Übersetzung der biblischen Botschaft hervorbringt, sondern ihr einen alternativen modernen Mythos kontradiktorisch gegenüberstellt. Darüber hinaus muss gefragt werden, ob Tillich nicht in der Gefahr steht mit seinem geschlossenen ontologischen und abstrakten System Wirklichkeit zu simplifizieren. Der Mensch lässt sich nur mit dem Wissen, dass es sich dabei um eine Reduktion der Wirklichkeit handelt, in der Bipolarität von Essenz und Existenz beschreiben. Tatsächlich ist er deutlich komplexer als es Tillich mit den abstrakten ontologischen Begriffen „Essenz“ und „Existenz“ ausdrücken kann. Tillichs Konzeption des Menschen in seiner Konstitution zwischen „Essenz“ und „Existenz“ ist, nach Meinung des Verfassers, nichtsdestotrotz eine adäquate Beschreibung des Menschen, wenn sie als kontextuelle Neuübersetzung christlicher Anthropologie für seine Zeitgenossen verstanden wird. Sein Konzept ist gleichzeitig eine Einladung zu ständiger Aktualisierung und Neuübersetzung der biblischen Botschaft. Tillichs großes Verdienst ist, dass er dazu ermutigt, indem er systematische Theologie als antwortende Theologie versteht, die sich den zeitgeschichtlichen Fragen und Situationen der Menschen stellen muss. Dies wird auch und besonders in seiner Anthropologie deutlich
Datafizierung, sektorale Entgrenzung und Überwachung (Surveillance) sind Entwicklungen, die aus ethischer Perspektive gerade für das Gesundheitswesen von besonderer Relevanz sind. Mit Bezug auf Gesundheit und die spezifische Konstitution des Menschen (Vulnerabilität, Leiblichkeit, Sozialität) werden hier ethisch heikle Punkte berührt, die bei der Forschung, Entwicklung, Verbreitung und Nutzung digitaler Gesundheitstechnologien besonders zu berücksichtigen sind. Abgerundet wird diese Betrachtung mit Überlegungen zum Einsatz von Robotern und Assistenzsystemen in Medizin und Pflege, weil an ihnen der transzendierende Charakter dieser Technik verdeutlicht werden kann. Es muss letztlich eine ethisch-anthropologische Neubestimmung erfolgen, sofern diese Technik den rein instrumentellen Charakter bisheriger Werkzeuge, Maschinen und Automaten überschreitet. Um zu verhindern, dass ethische Fragestellungen zu spät angegangen werden, und um Schaden zu vermeiden skizziert dieser Artikel die Richtung der zu erwartenden Herausforderungen und identifiziert im Kern einige ethisch relevante Fragestellungen anhand konkreter Beispiele.
Künstliche Emotion
(2023)
Der Diskurs um emotions- und soziosensitive Roboter in der Pflege kann aktuell eher als Ausdruck eines technologischen Solutionismus interpretiert werden, denn als realitäts-gerechte Beschreibung des pflegerischen Alltags. Aus ethischer Perspektive ist demnach weniger drängend die Frage zu beantworten, wie die Systeme bzw. deren Einsatz aktuell konkret bewertet werden können, sondern welche Rolle dieser KI-gestützten Systemart in den Technikvisionen und -fiktionen zugeschrieben wird und welche normativen Aspekte bei der Entwicklung und dem Einsatz zukünftig Beachtung finden sollten. Dazu werden Elemente eines anthropologischen und ethischen Reflexionsraums skizziert, welcher Aspekte benennt, die bei der Entwicklung dieser Art von Technik zu bedenken sind. Um fundierte ethische Urteilsbildung zu ermöglichen, wird eine fünfdimensionale Heuristik präsentiert, die anhand der Dimensionen Emotion, Interaktion, Kontext, Akteur und Aktant eine konkrete Situationsanalyse gestattet. Auf dieser empirisch informierten Basis können implementierbare technische Lösungen entwickelt werden bzw. bereits entwickelte ethisch evaluiert werden.
Digitalisierung und Roboterisierung sind Entwicklungen, die das Gesundheitswesen insgesamt, in besonderer Weise aber die Pflege herausfordern. Pflege ist in fundamentaler Weise Beziehungsarbeit und so gewinnt die Frage nach der Gestaltung der Beziehung zu den Robotern eine besondere Bedeutung. Roboter sind keine einfachen Werkzeuge mehr oder Maschinen, die wir nach unseren eigenen Anforderungen einsetzen. Roboter, wie sie für die Pflege aktuell entwickelt werden, sind komplexe technische Gegenüber, die in die soziale Interaktion mit dem Menschen eintreten, wobei noch nicht klar ist, welchen sozialen und folglich welchen normativen Status wir diesen Erscheinungsformen zuerkennen sollen. Der Artikel bietet einige Orientierungsmarken für diese Diskussion aus einer ethischen und anthropologischen Perspektive.
E-Mental Health zeigt sich als vielversprechendes Mittel, um die Behandlungsmöglichkeiten psychiatrischer Versorgung zu erweitern und dem Pflegebedarf gerecht zu werden.
Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist die ethische Reflexion von E-Mental Health mittels der Dialogphilosophie nach Martin Buber. Dabei lautet die Forschungsfrage im Kern: Inwieweit beeinflusst die Anwendung von E-Mental Health in der psychiatrischen Pflege das Verständnis der Beziehung aus dialogphilosophischer Sicht und welche moralischen
Probleme können auf Grundlage dieser Konsequenzen auftreten?
In Vorbereitung zu dieser Arbeit wurde eine Literaturrecherche zu E-Mental Health durchgeführt. Anschließend wurde eine Ist-Analyse und Reflexion der Dialogphilosophie im Face-to-Face-Setting der psychiatrischen Pflege vollzogen. Nach der Reflexion moralischer Aspekte wurden schließlich die Argumente für und gegen den Einsatz von
E-Mental Health diskutiert.
Durch die ethische Reflexion anhand der Dialogphilosophie konnten potenzielle moralische Probleme erörtert werden, welche negative Auswirkungen auf die pflegerische Versorgung auslösen. Fragen der Verantwortung und Gerechtigkeit, aber auch Qualitätsverlust pflegerischer Arbeit, Minderung pflegerischer Kompetenzen sowie eine Verdinglichung der Interaktionspartner stellen moralische Herausforderungen bei Anwendung von E-Mental Health dar.
Weitere Forschung zu den Auswirkungen von E-Mental Health auf die pflegerische Arbeit mit psychiatrischen Patienten ist notwendig. Zudem sollte das Phänomen der Beziehung weiter erforscht werden, da Beziehung als Faktor pflegerischer Arbeit eine hohe Bedeutung zuzuschreiben ist. Außerdem sind verbindliche Vorgaben und rechtliche
Regularien zur Sicherung der Qualität notwendig.
Psalm 8 und Gen 1,26-28 gelten als Schlüsseltexte alttestamentlicher Anthropologie. Die Identität und Bestimmung des Menschen sehen beide Texte in seiner von Gott geschenkten königlichen Würde: Er ist geschaffen als „Abbild Gottes“ und eingesetzt zum Statthalter Gottes auf der Erde – zum Herrscher über seine Mitwelt, deren Bewahrung ihm anvertraut ist.
Im Kontrast dazu spricht die Klage in Ijob 7 – einer bitteren Parodie auf das hochgestimmte Menschenbild von Ps 8 – von Überforderung, Lebensüberdruss und Verzweiflung.
Die Spannung aus diesen gegensätzlichen Antworten auf die Frage: „Was ist der Mensch?“ markiert die Spannbreite menschlicher Erfahrung: Der Mensch existiert in der ganzen Gegensätzlichkeit zwischen staunender Dankbarkeit, wenn er sich im Einklang mit dem Kosmos erlebt und wenn es ihm gelingt, seine Welt zupackend zu gestalten, und der Anfechtung von Scheitern und Leid. Eine hoffnungsvolle eschatologische Auflösung dieser Spannung formuliert Weish 2,23: Weil der Mensch Abbild des ewigen Gottes ist, ist er zur Unvergänglichkeit bei Gott bestimmt, in der alles Scheitern überwunden ist.