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Zur Erklärung der Israelfeindschaft in der radikalen Linken wird oft das Motiv der Erinnerungs- und Schuldabwehr angeführt. Insbesondere die Gleichsetzung des jüdischen Staats mit Nazi-Deutschland scheint durch den unbewussten Wunsch motiviert, die Shoah zu relativieren. Doch schon vor 1933 entsprach der Antizionismus der KPD dem Muster des israelbezogenen Antisemitismus: Der Zionismus wurde delegitimiert, dämonisiert und nach anderen Maßstäben beurteilt als andere nationale Befreiungsbewegungen. Selbst die Gleichsetzung mit dem Nationalsozialismus gab es schon vor 1933. Beim antizionistischen Antisemitismus müssen zu dem Motiv der Schuldabwehr noch ältere hinzukommen. Wie am Beispiel der KPD deutlich wird, ergab sich der Antizionismus zur Zeit der Weimarer Republik nicht nur aus einem spezifisch kommunistischen Nationalismus. Er stand im Zentralorgan der KPD, Die Rote Fahne, in einem Kontext, in dem ein „jüdisches Kapital“ mitverantwortlich gemacht wurde für den Aufstieg des Faschismus.
In der 1979 gegründeten Islamischen Republik Iran ist der Antisemitismus eine zentrale Konstitutionsideologie, die von Vertreter*innen des Regimes seit der Islamischen Revolution popularisiert wird. Ausgehend von Überlegungen zum Antisemitismus in der Moderne und der Entgegensetzung von Gesellschaft und Gemeinschaft wird gezeigt, inwiefern der auf Vernichtung des jüdischen Staates zielende Antizionismus als ein antizionistischer Antisemitismus zu charakterisieren ist, der sich selbst als Befreiung legitimiert und auf einer antisemitischen Konstruktion des Westens und Israels als universaler Feind beruht
Ausgehend von Grundüberlegungen zu einer Kritischen Theorie des Antisemitismus werden Unterschiede von Rassismus und Antisemitismus skizziert, Gegenkonzepte zu antisemitischen Reaktionsweisen diskutiert und Ausprägungen des Antisemitismus in der politischen Rechten und Linken beschrieben. Vor diesem Hintergrund werden zentrale Varianten des Antizionismus als geopolitische Reproduktion des Antisemitismus analysiert und in ihrer Genese in der Zeit vor der israelischen Staatsgründung dargestellt. Der islamische Antisemitismus wird überblicksartig hinsichtlich historischer und gegenwärtiger islamistischer Akteure wie der Muslimbruderschaft und des „Islamischen Staates“ untersucht, um davon ausgehend den aktuellen Antisemitismus des iranischen Regimes anhand der Reaktionen der Führung in Teheran auf die Covid 19-Pandemie zu illustrieren. Die durch das iranische Regime geschaffene, aus der Kombination eines eliminatorischen Antizionismus mit dem Streben nach der Technologie der Massenvernichtung resultierende spezifische Bedrohungssituation wird als eine zentrale Herausforderung für eine praktische Kritik des Antisemitismus ausgewiesen, um abschließend eine Antisemitismusforschung einzufordern, die jegliche Ausprägung des globalen Antisemitismus umfasst und in der Lage ist, eine Gewichtung der Gefahren vorzunehmen, die von den jeweiligen antisemitischen Akteuren in aktuellen politischen Konstellationen ausgehen.